Zemlinsky unterschied sich durch Bescheidenheit

■ Gespräch mit Regisseur und musikalischem Leiter

taz: Z.s Musik wird oft so beschrieben: klingt wie früher Schönberg, ein bißchen wie Strauß, aber irgendwie anders, später Mahler, etc. Ist Z. ein eigenständiger Komponist?

Antony Beaumont, musikalischer Leiter: Z. unterscheidet sich von den anderen erst einmal durch seine Bescheidenheit. Zu seiner Zeit war es für Komponisten notwendig, sich zu profilieren. Z. hatte das nicht nötig. Er ist wie Busoni und Schreker durch die Turbulenzen des 20.Jahrhunderts verschüttet worden. Nach Krieg und Faschismus war erst Schönberg und seine Schule zu entdecken. Dann kam eine kritische Rezeption des Impressionismus dran. In den 60'ger Jahren wurde Mahler wieder gespielt. Man darf die Schwierigkeiten dieser Wiederentdeckung der Großen der Moderne nicht unterschätzen. Für so schwierige Figuren wie Z. war da kein Raum. Erst bei der Beschäftigung mit Schönberg und Mahler stieß man auf Z., und man entdeckte, daß er nicht nur der Schwager Schönbergs war, sondern eigentlich die Vaterfigur der Schönbergschule, der Kristalisationspunkt.

Robert Tannenbaum, musikalischer Leiter: Es kein Wunder, daß man Z. damals nicht schätzte. Strauß wußte, wie man Effekt machte, ohne das Publikum vor den Kopf zu stoßen. Schönberg wußte, wie man das Publikum vor den Kopf stößt und trotzdem einen intelligenten Eindruck macht. Z. war das Publikum egal. Er schrieb das, was er sah, sehr direkt, wenn etwas Scheiße ist, komponierte er Scheiße. Z. hat nicht sein Innenleben gepflegt, er hat als Jude und Außenseiter seine Umwelt komponiert. Es gibt da böse Stellen im Traumgörge: Die Menge will Görges Geliebte lynchen. Sie schreien: erschlagt sie, verbrennt sie und unvermittelt: Alle guten Geister loben Gott den Herrn. Das wollte sich das bürgerliche Publikum der Jahrhundertwende nicht sagen lassen. Schönberg hat sich dafür interessiert, ob das Publikum nach seiner Musik noch essen gehen konnte. Ich will, daß ihm nach dem Traumgörge das Eisbein nicht schmeckt.

Beaumont: Der Judendstil, dem Z. zurechnet wird hat ja zwei Seiten. Bei Klimt hält man überwältigt von Schönheit den Atem an, bei Schiele sieht man unglaubliche Rohheit, brutale Häßlichkeit. Z. ist Schiele ganz nahe. Bei

solchen Stücken muß die Regie einen Weg finden, über die Textvorlage und die Musik hinaus, eine eigene Welt zu bauen. Gewiß, die Musik muß schön gemacht werden, als Basis, die Regie aber muß interpretieren nicht nur reproduzieren, sonst haben wir einen Museumsbetrieb.

Tannenbaum: Gott sei Dank haben wir in Bremen nicht die Möglichkeit, aus den Metropolen die großen Stars vor der Premiere einzufliegen und in die Kulissen zu stellen. Hier können wir mit einem tollen Ensemble arbeiten.

Beaumont: Unser Publikum erwartet natürlich auch, daß der Chor im Halbkreis steht, aber die Bremer sind aufgeschlossen genug, auch anderes zu ertragen. Aber es gehört zu den heiligsten Pflichten des subventionierten Theaters, solche Stücke, die sich im kommerziellen Betrieb nie durchsetzen könnten, zu machen. Für Bremen ist dieser Beitrag zur Rehabilitierung eines großen Komponisten eine große Ehre.

taz: Hoffen wir, daß Traumgörge diese Spielzeit überlebt.