Bremer MEK-Chef verweigert Aussage

■ Geisel-Ausschuß hat Zweifel an Aussagen des MEK-Leiters / Polizeifunk-Bänder manipuliert?

Eigentlich war längst alles mehrfach gesagt über die polizeilichen Maßnahmen gegen die Gladbecker Geiselnehmer im vergangenen September, der Untersuchungsausschuß „Geiseldrama“ trat auf der Stelle. Da bekamen die Bürgerschafts-Abgeordneten

am 7.Mai völlig neues Tonband-Material: Ein Hobby-Funker, der zuweilen dem Staatsschutz wie dem Verfassungsschutz zuarbeitet, hatte an jenem Tag Polizeifunk aufgezeichnet. Aus jenem Material wurden Abschriften in jenen Tagen der taz zugespielt, die damals heftigen Zweifel an den polizeilichen Verlautbarungen nahelegten.

Der Hobby-Funker wurde wenige Wochen später hochgenommen, das Material von der Polizei beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft wollte es dem Ausschuß aber nicht herausgeben. Das Landgericht verfügte am 27.4.1989 die Herausgabe, erst am 29.5. gab die Staatsanwaltschaft sie ab. Nachdem der Leiter des Bremer MEK, Kriminalhauptkommissar Beckmann, gestern diese Aufzeichnungen vorgespielt bekommen hatte, verweigerte er jede weitere Aussage - wegen der Gefahr, sich strafrechtlich selber zu belasten.

„Fahrlässige Tötung“ könnte der Vorwurf gegen ihn lauten.

Denn seit gestern ist nicht nur Tatsache, daß die Geiselnehmer-Freundin Marion Löblich nicht aus „Notwehr“ festgenommen wurde, wie die Poizei behautet hatte, sondern von hinten, als sie gerade durch die Tür aus dem Tankstellen -Geböude hinausgehen wollte. Dies hat der Fotograf bestätigt, der diese Situation aufnahm - (siehe nebenstehendes Foto), dies hat auch ein unbeteiligter Augenzeuge gestern eindrucksvolll geschildert. (vgl. Seite 2)

Tatsache ist auch, daß der MEK-Leiter nicht, wie er im März behauptet hatte, unverzüglich die Freilassung der Marion Löblich anordnete, als er davon erfuhr. Im Gegenteil: Obwohl er vom Polizeihaus in Bremen aus

keinen Überblick über die Lage vor Ort an der Raststätte Grundbergsee hatte, wie er gestern zugab, entwickelte er ein Szenario der Festnahme der beiden Bankräuber, das den Fotografen Meier in Lebensgefahr bringen mußte. (vgl. nebenstehenden Auszug aus dem Funk-Protokoll) Seine MEK -Beamten vor Ort mußten sich durch seine Anweisung „Packt 'se“ in ihrer „heißen“ Art bestätigt fühlen.

Zunächst hatte der MEK-Leiter gestern behauptet, er habe die Nachricht von der Löblich-Festnahme „sofort“ weitergegeben an das Lagezentrum. Sein Verbindungsmann im Lagezentrum widersprach dem aber. Der MEK-Chef hatte behauptet, die Anweisung zur Prüfung des „Zugriffs“ seien vom Lagezentrum gekommen. Dies hielt der Verbindungs

mann im Lagezentrum für ausgeschlossen. Nachdem Beckmann mehrfach von dem Ausschußvorsitzenden darauf hingewiesen worden war, daß er sich auch mit falschen Angaben strafbar machen könne, verweigerte er schließlich jede weitere Aussage. Kudella gab dem Kriminalhauptkommissar eine Woche Zeit, sich die Korrektur seiner Aussagen noch einmal zu überlegen.

Bänder manipuliert?

Der Grüne im Ausschuß, Martin Thomas, will eine Erklärung des Justizsenators für die Tatsache, daß die brisanten Tonbänder erst so spät in die Hände des Ausschusses gelangt sind. Zudem wundert sich der Grüne, warum die Bänder, von denen Abschriften nach Ansicht der Staatsanwaltschaft der taz zugespielt wurden, der an einzelnen brisanten Stellen schlicht abbrechen: „Dabei ist zu bemerken, daß in der taz -Bremen nach dem Geiseldrama Stellen des Polizeifunks veröffentlicht wurden, die sich auf unserem voliegenden Beweismaterial nicht finden lassen.“ Von der Staatsanwaltschaft müsse gegebenenfalls, schließt der Grüne, die „Möglichkeit der Manipulation des Bandes durch Dritte nach der Beschlagnahme (durch die Polizei, d.Red.) geprüft werden.“ Mit dem Verdacht, daß die Poliozei die Bänder manipuliert hat, wollte sich der Ausschuß gestern nicht mehr befassen und vertagte.

K.W.