WILD IST DER WESTEN

■ Indianer kommunizieren mit Christen

„Pä-da-gogik-freie Zo-ne“, buchstabiert ein älterer Kirchentagsteilnehmer mühsam die Transparentaufschrift, schüttelt den Kopf und eilt weiter zur nächsten religiösen Großveranstaltung. Unter dem Transparent hat sich inzwischen eine Menschentraube gebildet. Hier haben es sich die Mitglieder der stadtbekannten „Indianerkommune“ bequem gemacht. Den ganzen Kirchentag über wollen sie an ihrem improvisierten Info-Stand über die „radikale Kinderrechtsbewegung“ informieren: „Kinder und Jugendliche gegen Faschismus, Schulpflicht, Elternterror und Sexualitätsverbot“ steht auf den kleinen Flugblättern, die einer der Indianer in die Menge wirft. „Die wollten uns schon hier weghaben“, erzählt einer der drei. „Doch sie haben uns nicht weggekriegt.“ Und während an den perfekten Messeständen im Markt der Möglichkeiten gepflegte Langeweile herrscht, geht es hier wirklich zur Sache. Zwischen den gestriegelten frischgewaschenen Kirchentagsjugendlichen und den Indianer-„Schmuddelkindern“ ist eine heftige Diskussion im Gange. Es geht um Bildungspolitik, Südafrika, Macht und Gewalt. „Bildung ist Scheiße“, schreit der Indianer -Anführer. „Schule ist doch nur Gleichschaltung!“. - „Aber ich muß mich doch bilden, um von den anderen nicht ausgenutzt zu werden“, schreit ein jugendlicher Kirchentagsbesucher zurück und wird ganz rot im Gesicht. „Wollt ihr wirklich alle Familien abschaffen?“, fragt ein Mädchen schüchtern. Sie würde viele Kinder kennen, die mit ihren Eltern ganz zufrieden seien. „Sag du mal, was du im Leben schon geleistet hast“, ereifert sich eine dicke Frau mit Dauerwelle. „Leistung, Leistung, ist das alles worauf es im Leben ankommt?“, antwortet der Indianersprecher und streckt der Frau seinen Hintern entgegen. „Guck mal, Anarchos“, raunt ein Mädchen ihrem Freund zu und kauft noch schnell eines der angebotenen „Haßheftchen“ - für die Freundinnen in Westdeutschland.

-guth