Deutsche Manie: Auto

Ein Gespräch mit Harry Assenbacher, Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift des Verkehrsclub Deutschland (VCD)  ■ I N T E R V I E W

taz: Was zeichnet den VCD als Alternative zu anderen Autoclubs aus?

VCD: Wir machen eine ganz andere Politik als die Autoclubs. Wir fordern einerseits eine umweltfreundliche und sozialverträgliche Verkehrspolitik. Auf der anderen Seite wissen wir genau, daß auch umweltfreundliche Menschen Autopannen haben und denen dann geholfen werden muß. Deswegen gibt es eben auch für VCD-Mitglieder einen Schutzbrief fürs In- und Ausland, Notrufnummer, Krankenrücktransport. Von den Serviceleistungen her sind wir genauso gut wie die Autoclubs, was uns unterscheidet, ist die ganz andere Politik.

Wie sieht diese andere Politik aus?

Sie umfaßt im Gegensatz zu den Autoclubs den ganzen Bereich des Verkehrs, eben auch Fußgänger, Radfahrer, Bahnfahrer und Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir haben ein gesamtes Verkehrskonzept, das darauf ausgerichtet ist, umweltfreundliche Verkehrsmittel - Schienen- und öffentlichen Verkehr - eindeutig zu fördern. Der Autoverkehr soll auf das notwendigste zurückgedrängt und nicht immer weiter per Sachzwang gesteigert werden.

Wieviel Prozent eurer Mitglieder sind Autofahrer?

Über 80 Prozent.

Wie seht ihr euch im Verhältnis zur Autolobby?

Der VCD wurde gegründet von Naturschutzverbänden wie Robin Wood, dem deutschen Bund für Vogelschutz, BUND. Er versteht sich als hoffentlich starke Lobby für eine umweltbewußte Verkehrspolitik und gegen die Autolobby. In diesem Sinne wollen wir natürlich politischen Einfluß und Druck ausüben. Möglich ist dies nur, wenn wir ein großer Verband sind. Mit unseren jetzigen 22.000 Mitgliedern genießen wir zwar überall Sympathie - auch bei der Presse -, aber wirklich durchsetzen können wir auf dieser Grundlage nur wenige Forderungen.

Kannst du konkrete Richtlinien eurer Politik zur jetzt beginnenden Reisesaison und dem damit verbunden wachsenden Verkehrsaufkommen nennen?

Eins der schlimmsten Verkehrsmittel aus unserer Sicht ist natürlich das Flugzeug. Es produziert soviel Schadstoffe, außerdem auch noch in so gefährlichen Regionen wie der oberen Atmosphäre, wie kein anderes Verkehrsmittel. So haben sich die in den Alpen tätigen Astrologen auf die kanarischen Inseln verzogen. Schlichter Grund: Die Luft über den Alpen wurde so schlecht, daß man die Himmelsbeobachtung dort nicht mehr vornehmen kann. Urlaub ist eine Tatsache, das heißt es müssen Alternativen her, damit die Leute Urlaub machen können auch jenseits der Billig-Pauschalreise per Flugzeug. Wenn der weitere Ausbau des Flugverkehrs nicht jetzt eingestellt wird, sind die Perspektiven für das Jahr 2000 düster.

Mit der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes ist aber eher mit einem höheren Flug- und Verkehrsaufkommen zu rechnen. Wie ist euer Standpunkt zu 1992?

Wir sind vom europäischen Binnenmarkt nicht begeistert. Weil im ganzen Verkehrsbereich, nicht nur im Flugverkehr, sondern auch im LKW-Verkehr die allerschlimmsten Katastrophen zu befürchten sind, sowohl in bezug auf die Mißstände auf den Straßen als auch den Schadstoffausstoß. Eine Alternative dazu wäre etwa der Ausbau eines preisgünstigen europäischen Bahnsystems.

Im Sinne des französischen TGV?

Ja, wobei wir durchaus die Probleme sehen, die auch durch Schnellstrecken der Bahn entstehen können, auch die ökologischen Probleme. Nur dies steht in keiner Relation zum Autobahnausbau oder zum Ausbau des Flugverkehrs.

Die Autolobby - wie beim Streit um Tempo 100 auf der Berliner Avus - mobilisiert sich. Wie mobil schätzt ihr eure Gegenlobby ein?

Ich glaube, es muß sich noch viel am konkreten Umweltbewußtsein der Leute ändern. Politische Forderungen sind eine Sache, persönliche Einsicht eine andere. Wenn ich mir nur überlege, daß selbst die Verkehrsexperten der Grünen im Bundestag nicht im VCD sind... Ich glaube, daß dies eine sehr deutsche Sache ist. Selbst der linke Student fährt noch mit seinem R4 in den Urlaub, rast dann zu Deutschlands größtem Automobilclub, weil, wenn er liegen bleibt, darf seinem Auto doch nichts passieren. Typisch deutsche Manie.

Könnt ihr ihm in dieser Manie entgegenkommen?

Jeder weiß, was der größte deutsche Autoclub bietet, und genau das bieten wir auch. Nur etwas billiger.

Interview: Edith Kresta

Kontaktadresse: VCD, 5300 Bonn 3, Kalkuhlstr.24, Tel.: 0228/44 44 88.