Zum Abschluß ein Hoffnungsträger gegen Aids

■ Auf der Aids-Weltkonferenz im kanadischen Montreal präsentierte der US-Impfstoffspezialist Jonas Salk sein HIV-Immunogen „Ermutigende Anzeichen“ einer wirksamen Behandlung / Dr. Holmes stellte Armut als wichtigen Faktor für Aids-Verbreitung heraus

Montreal/Berlin (wps/taz) - Die fünfte Aids-Weltkonferenz ging gestern in Montreal mit einem optimistischen Vortrag zu Ende. Kaum hatte Aids-Papst Robert Gallo verkündet, daß „die Zeiten der großen Entdeckungen in der Aids-Forschung vorbei sind“ und jetzt die mühsame Kleinarbeit gefragt sei, präsentierte der Impfstoffspezialist Jonas Salk eine „zukunftsweisende“ Untersuchung.

Es gebe ermutigende Anzeichen, daß eine von ihm entwickelte Immunisierungsbehandlung mit der Substanz HIV-Immunogen gegen Aids wirksam sei, sagte Salk, der als Erfinder des Impfstoffes gegen Kinderlähmung bekannt wurde. Salk hatte an Affen Experimente durchgeführt und später ein von ihm entwickeltes HIV-Immunogen auch Patienten gespritzt.

Der US-Wissenschaftler arbeitet mit inaktiviertem Virus. Er benutzt dazu Hüll-Proteine von HIV, die er durch Bestrahlung und chemische Behandlung unschädlich macht. Diese Proteine spritzt er dann in Muskeln und Haut von Patienten, um das Immunsystem gegen HIV zu aktivieren. Auf seiner völlig überfüllten Pressekonferenz sprach er von ersten wichtigen Erfolgen für diese Strategie. Das Impfmodell zeige keinerlei Anzeichen, toxisch zu sein und scheine eine „starke immune Reaktion hervorzurufen“. Mehrere Kollegen kritisierten, daß es zu früh sei, um Hoffnungen zu wecken. Mervyn Silverman, Direktor der US-Foundation für Aids-Forschung, sagte sogar, „das einzige, was bisher feststeht, ist, daß der Impfstoff nicht toxisch ist“.“

Salk und seinen Mitarbeitern ist es angeblich gelungen, zwei Schimpansen wirksam zu behandeln. Bei den infizierten Tieren seien nach der Gabe von HIV-Immunogen keinerlei Spuren von HIV mehr feststellbar gewesen. Außerdem sei es nicht mehr gelungen, die Schimpansen erneut mit HIV zu infizieren.

Inwieweit Resultate bei Tierversuchen mit Affen auf Menschen übertragbar sind, ist umstritten. Affen können zwar mit HIV infiziert werden, sie entwickeln aber nicht das volle Bild der Krankheit - reagieren also offenbar anders.

Salk berichtete auch über Versuche mit 19 Patienten im Aids -Vorstadium ARC. Nach der Behandlung mit HIV-Immunogen habe sich der Immunstatus über den Zeitraum von mehr als einem Jahr stabilisiert. Nur in einem Fall sei die Infektion fortgeschritten bis zum vollen Stadium von Aids. Salk forderte, die Substanz jetzt in größerem Rahmen zu testen.

Herausragend war der kritische Vortrag des Washingtoner Wissenschaftlers King Holmes über den Zusammenhang zwischen Geschlechtskrankheiten, Armut und Aids-Ausbreitung. Holmes sprach von einem starken Anstieg der Geschlechtskrankheiten, die wegen der Armut der Betroffenen oft lange unbehandelt blieben. Armut und eine fehlende Gesundheitsversorgung würden so zu Motoren der Geschlechtskrankheiten und damit wiederum zu Motoren für Aids. Geschlechtskrankheiten gelten bekanntlich als wichtige Co-Faktoren für die Übertragung von Aids.

Holmes verglich die Großstädte der USA mit der Lage in den Entwicklungsländern. Die Situation würde sich mehr und mehr angleichen. Wirksame Maßnahmen gegen Aids seien gleichbedeutend mit einem Kampf gegen Geschlechtskrankheiten. Viele Gelder seien aber in die Aids -Programme umgeleitet worden.

„Macht es Sinn“, fragte Holmes, „wenn wir Safer-Sex -Programme intensivieren und gleichzeitig die Kliniken Patienten mit Geschlechtskrankheiten wegschicken?“ Und weiter: „Das letzte, was wir uns leisten können, ist die Ausbreitung von Krankheiten, die als wichtiger Faktor für die Ausbreitung von Aids bekannt sind.“ So habe sich die Zahl der Syphillis-Fälle zwischen 1985 und 1988 unter Schwarzen verdreifacht. Beim Schanker habe sich die Rate zwischen 1984 und 1988 insgesamt versiebenfacht. Die Opfer, so Holmes, seien in der Regel jung, arm und Schwarze oder Latinos.

Manfred Kriener