Bremer MEK-Führer schwer belastet

■ Staatsanwaltschaft gab dem Bremer Geisel-Ausschuß erst jetzt brisante Polizeifunk-Tonbänder

Bremen (taz) - Hat die Bremer Staatsanwaltschaft einen Tonband-mitschnitt des Polizeifunks zurückgehalten, um der Polizei eine Blamage zu ersparen? Diese Frage wird der Bremer Geisel-Ausschuß, der die polizeiinternen Vorgänge nach der Gladbecker Geiselnahme im September 1988 aufhellen soll, in den nächsten Tagen intern beraten. Erstes Ergebnis der neu aufgetauchten Polizeifunkmitschnitte: Der Bremer MEK -Leiter verweigert die Aussage mit der Begründung, daß er sich selber wegen fahrlässiger Tötung belasten könnte.

Im Gegensatz zu den früheren Erklärungen der Polizei, die Freundin des Geiselnehmers sei „aus Notwehr“ vor der Toilette auf der Raststätte Grundbergsee festgenommen worden, haben ein Fotograf und ein Mann, der mit seinem Auto zufällig am Tatort vorbeikam, gestern eindeutig beschrieben: Marion Löblich wurde in dem Moment ergriffen, als sie aus der Tür an der Tankstelle heraustrat - von hinten, wie auch ein Foto belegt, und nicht von jemandem vor ihr, der sich bedroht fühlen konnte. Aus den seit kurzem dem Ausschuß vorliegenden Tonbandmitschnitten gehen Einzelheiten hervor, die den MEK-Leiter Beckmann wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht bringen könnten. Ein MEK-Mann vor Ort an der Raststätte hatte seinen Chef in der Bremer Einsatzzentrale über die Festnahme informiert und gesagt: „Das ist natürlich eine bißchen prekäre Situation hier.“ Seine MEK-Leute wollten die beiden Geiselnehmer nun ergreifen: „Die sind so heiß hier, die wollen sie niedermachen.“ Daraufhin sagte der Bremer MEK-Chef: „Ja, ist auch Auftrag.“ Und spontan entwickelte er folgendes Szenario: „Es könnte folgende Situation eintreten: Meyer und ein weiterer Pressevertreter wollen sich als Geisel quasi zur Verfügung stellen; wenn sich da 'ne Gelegenheit ergibt, soll der Zugriff erfolgen.“ Der MEK-Leiter verabschiedete sich am Telefon mit: „Jau, packt 'se.“ Von diesem Befehl, der der Einsatzstrategie widersprach und den Fotografen Meyer in Lebensgefahr brachte, wußte die Einsatzleitung nichts. Nachvollziehbar wird nun auch, warum es so lange dauerte, bis das MEK vor Ort den Befehl ausführte, Marion Löblich freizulassen.

Martin Thomas, grünes Mitglied im Geisel-Ausschuß, will nun vom Justizsenator wissen, warum dieser Tonbandmitschnitt von der Staatsanwaltschaft erst jetzt dem Ausschuß vorgelegt wurde. Zudem haben die Grünen den Eindruck, daß das Material „manipuliert“ ist.

Klaus Wolschner