Saubere Fassade

■ Gedenktafel am Kammergericht verschwunden / Hat ein Richter die Tafel abgenommen? / „Vollständige Entnazifizierung“ des Gerichts gefordert

Die provisorische Gedenktafel für die Opfer des ehemaligen Reichskriegsgerichts, die am Donnerstag am Gebäude des Kammergerichts in der Charlottenburger Witzlebenstraße angebracht worden war, ist am Freitag unter ungeklärten Umständen entfernt worden. Nach unbestätigten Berichten soll ein Richter des Kammergerichts die Holztafel eigenhändig von der Wand genommen, sie zerstört und weggeworfen haben. Die örtliche Polizeidirektion bestätigte gestern, die Tafel sei verschwunden, konnte ansonsten aber nur vage Angaben machen. „Es soll eine richterliche Verfügung bestanden haben, die Tafel zu entfernen“, hieß es. Die Polizei selbst habe die Tafel jedoch nicht entfernt.

Die Charlottenburger Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel (SPD) hatte die provisorische Tafel erst am Donnerstag zusammen mit der Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, Hilde Schramm (AL), eingeweiht. Die Tafel sollte daran erinnern, daß das Reichskriegsgericht von 1936 bis 1943 über 500 Kriegsdienstverweigerer und zahllose Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt hatte. Der provisorischen Tafel soll nach dem Willen der Charlottenburger BVV eine dauerhafte Gedenktafel folgen.

„Von offizieller Stelle des Kammergerichts“ habe es „keine Anordnung“ gegeben, die Tafel zu entfernen, versicherte Justizsprecher Achhammer gestern. „Wenn, dann hat es jemand privat gemacht“, meinte der Sprecher, der ebenfalls keine näheren Informationen geben konnte. Die Justizverwaltung will der Sache heute nachgehen. Initiatoren der Gedenktafel sind das „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ und die Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK). Sie hatten die zweimal ein Meter große Holztafel am Donnerstag auf einem Mauerabsatz in der Fassade des Gebäudes angebracht, das früher das RKG beherbergt hatte und in dem heute das Kammergericht residiert.

Stefan Pofahl von der Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK) bewertete das Verschwinden der Tafel gestern positiv. „Die Kontinuität in der Justiz vom Dritten Reich zur BRD ist eine Tatsache. Die wollen wir benennen und bloßlegen“, sagte Pofahl. Daß die Tafel entfernt wurde, könne er deshalb „nur begrüßen“.

hmt