Neue Stahlschmiede Krupp & Salzgitter

■ Stahlkonzern Krupp will mit der bundeseigenen Salzgitter AG fusionieren / Neuer Konzern wäre Europas größte Stahlschmiede / Krupp-Salzgitter würden zum elftgrößten BRD-Konzern / Krupp möchte Konzernführerschaft / Niedersachsen hegt Zweifel

Berlin (taz) - Seit über fünf Wochen wird im geheimen über einen der größten Firmenzusammenschlüsse in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte verhandelt. Und sollten die Verhandlungen zügig vorangehen, könnte der Krupp -Aufsichtsratschef Berthold Beitz bereits am 21. Juni die Fusion der Stahl-Konzerne Krupp und Salzgitter bekanntgeben. Entstanden wäre damit Europas größter Stahlhersteller und gleichzeitig ein Maschinen- und Anlagenbaukonzern, an dem vor allem im Geschäft mit den Staaten Osteuropas keiner so leicht vorbeikäme.

Die Informationen liefert das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel‘ in seiner heutigen Ausgabe. Danach sind die Pläne schon soweit gediehen, daß die Wirtschaftsprüfer der Düsseldorfer „Treuarbeit“ als unabhängige Gutachter den Wert beider Unternehmen ermitteln sollen. Von deren Ergebnis soll dann abhängen, wer mit welchem Anteil an dem neuen Konzern beteilgt wird.

Die 15 Milliarden Mark Umsatz bei Krupp und die 9,5 Milliarden beim Salzgitter-Konzern zusammengenommen, würden den neuen Stahlriesen auf Platz 11 der größten Industrieunternehmen der Bundesrepublik katapultieren. Und der bislang größte EG-Stahlhersteller, die Düsseldorfer Thyssen-AG, hätte auf einen Schlag ihre Führungsposition verloren.

Motor der angestrebten Fusion ist dem 'Spiegel‘ zufolge der Krupp-Vorstandschef Gerhard Cromme. Er hat sich seine Sporen damit verdient, daß er die Schließung des Krupp-Werkes in Rheinhausen durchsetzte - gegen den härtesten Widerstand der Belegschaft. Kaum vier Wochen im Amt, soll er dem Aufsichtsratsvorsitzenden Beitz die Fusion, die für die Branche weitreichende Folgen haben wird, schmackhaft gemacht haben. Mit über 24 Milliarden Mark Umsatz und über 100.000 Beschäftigten, so Cromme, sei der Superkonzern in der Lage, im europäischen Rahmen neue Akzente zu setzen.

„Was Krupp in Essen, sind wir in Trinken“ - der Spontispruch könnte in Kürze veraltet sein. Über den künftigen Firmensitz soll Streit entbrannt sein. Krupp-Chef Cromme beansprucht im neuen Unternehmen nicht nur den Posten als Vorstandsvorsitzender, er will die neue Konzernzentrale auch an das Krupp-Wahrzeichen „Villa Hügel“ in Essen binden. Eine Forderung, der der bundeseigene Salzgitter-Konzern im Prinzip nicht zustimmen kann. Für das strukturpolitisch angeschlagene Niedersachsen hätte eine Verlegung von Salzgitter den wirtschaftspolitisch denkbar schlechtesten Signalcharakter.

Als Reaktion auf den 'Spiegel'-Bericht erklärte gestern ein Salzgitter-Sprecher vorsichtig, es gebe bei der konzerneigenen Peine-Salzgitter AG (P+S) Überlegungen, die auf eine Zusammenarbeit im Bereich der Oberflächenveredelung zielten. Und aus dem Salzgitter-Aufsichtsrat will die Nachrichtenagentur 'dpa‘ gehört haben, daß es „technische“ Gespräche mit brauchbaren Ansätzen gebe. Eine Fusion beider Unternehmen soll danach aber in weiter Ferne liegen.

Langfristig sei wohl an eine Privatisierung des Salzgitter -Konzern gedacht, bestätigte auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche. Zugleich verwies er die Fusionspläne ins Reich der Fabeln. Er zeigte sich überzeugt, daß die Bundesregierung an eine Fusion des bundeseigenen Konzerns mit der Krupp-Stahl AG nicht denke.

Wolfgang Gast