Run aufs Schiffs-Zweitregister

■ Mit dem Register zweiter Klasse kommt alles billiger, aber für die Reeder noch nicht billig genug

Der Konsul von Antigua residiert in Oldenburg und ist von Hause aus Kapitän. Aus gutem Grund, denn Eike Malling widmet einen guten Teil seiner Arbeitszeit ehemaligen Berufskollegen, die ihre Schiffe nicht mehr unter Schwarz -Rot-Gold, sondern un

ter der billigen Flagge der karibischen Ferieninsel fahren lassen wollen. Seit zwei Monaten gibt es nun ein „Zweites deutsches Schiffahrtsregister“, das die Vorteile des billigen Auslandsflaggen für die Reeder mit dem ordentlichen Image der bundesdeutschen

Fahne kombinieren soll. Damit wollte die Bonner Regierung den Zug der deutschen Reeder zu den billigen ausländischen Flaggen stoppen. Mit mäßigem Erfolg, meint Antigua-Konsul Malling: „Das Ausflaggen läuft auch nach dem Gesetz weiter.“

Sinn des Gesetzes, das im vergangenen Frühjahr gegen den heftigen Widerstand der Seeleutegewerkschaft ÖTV durch den Bundestag ging: Ausländische Seeleute sollen auf deutschen Schiffen nicht wie bisher zu ÖTV-Tarifen beschäftigt werden, sondern zu den minimalen Heuern, die in ihren fernöstlichen oder südamerikaischen Heimatländern üblich sind. Also den Reedern kommt der Betrieb ihrer Schiffe billiger.

Aber nicht billig genug. Denn die Schiffsbesetzungsodnung, die in diesen Tagen vom Bundesverkehrsmisterium erlassen wird, sieht vor, daß Kapitäne, sowie erste und zweite Offiziere deutscher oder EG-Nationalität sein müssen, auch im bundesdeutschen Billigregister. Andererseits: Wenn der Reeder sein Schiff nicht im zweiten deutschen Register, sondern gleich in Antigua anmeldet, dann kann er beschäftigen, wen er will und die Heuer frei und billig aushandeln. Außerdem sind die Gebühren und Steuern in dem karibischen Inselstaat minimal: Für zwei Jahre zahlt der Reeder für ein 1600 BRT-Schiff nicht mehr als 4.000 bis 5000 US-Dol

lar.

Dennoch: 18 Schiffe sind in den letzten Wochen unter die bundesdeutsche Flagge, (genau gesagt in's Zweite Register), zurückgekehrt. Auch unter den Kunden des Oldenburger Antigua -Konsuls sind zwei Eigner, die die bunte Flagge mit der aufgehenden Sonne gestrichen und wieder Schwarz-Rot-Gold am Heck gehißt haben.

Demgegenüber sind es aber mehr als 200 Schiffe (von insgesamt 933 Schiffen unter deutscher Flagge), die die Reeder aus dem offiziellen bundesdeutschen Schiffsregister ins Zweite Register umschreiben lassen wollen. Und täglich werden es mehr, hieß es gestern im Bonner Verkehrsministerium. In's Zweite Register wollen zum Beispiel zwei große Kanalfähren der Hamburger Olau-Line. Mögliche Folge: In nächster Zukunft können ganze Besatzungen ausgetauscht werden: Bisherige deutschen (oder nach deutschen Tarifen bezahlte) Mannschaften gegen Billigmatrosen aus Übersee.

Aber auch schlecht Ding will Weile haben: „Der Eintrag ins Zweite Register ist für uns nur eine Option“, sagte gestern ein Sprecher des Verbands deutscher Reeder zur taz, „ob die Reeder die Vorteile des Zweitregisters ausschöpfen, ist noch offen“. Das Schwert des Damokles schwebt also über den Besatzungen der Schiffe, die in diesen Tagen ins Zweitregister eingetragen werden.

mw