Eine Tat aus Überzeugung?

■ Kammerrichter Weiß beseitigte auf eigene Faust Gedenktafel für Nazi-Opfer in der Witzlebenstraße / Weiß war 1968 an Freispruch für Nazi-Richter beteiligt

Die am Freitag verschwundene Gedenktafel für die Opfer des nationalsozialistischen Reichskriegsgerichts (RKG) hat ein Richter des Kammergerichts auf eigene Faust beseitigt. Wie gestern bestätigt wurde, handelt es sich um den Richter Egbert Weiß, der sich als Verteidiger der NS-Justiz hervorgetan hat. Weiß wirkte 1968 als Beisitzer im Landgericht an dem Freispruch für den Nazi-Richter Rehse mit. Das „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“, das die Tafel mit initiiert hatte und nun Strafanzeige erstatten will, forderte gestern, Weiß zu suspendieren. Seine Tat markiere eine „neue Qualität in der aktiven Verdrängung und Reinwaschung der Nazi-Justiz durch amtierende deutsche Richter“.

Der Rehse-Freispruch, an dem Weiß 1968 mitgewirkt hatte, war seinerzeit als Freispruch für den gesamten NS -Volksgerichtshof, dem Rehse angehört hatte, gewertet worden. Das Schwurgericht des Landgerichts hatte damals den Volksgerichtshof als „ordentliches Gericht“ durchgehen lassen. Weiß war außerdem an den Prozessen gegen Horst Mahler und die „Bewegung 2.Juni“ beteiligt. Er war auch Mitglied der Kammer, die 1984 die Journalisten Benny Härlin und Michael Klöckner verurteilte.

Weiß hatte, so hieß es gestern, zusammen mit einigen von ihm organisierten Bauarbeitern die Gedenktafel von der Fassade des Gerichtsgebäudes in der Witzlebenstraße entfernt. Der Richter war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Auch das Kammergericht und die Senatsjustizverwaltung wollten gestern keine näheren Auskünfte geben. Justizsenatorin Limbach (SPD) hatte den Kammergerichtspräsidenten zwar aufgefordert, bis gestern einen Bericht zu dem Vorfall vorzulegen. Das Kammergericht, in Berlin die höchste juristische Instanz, vertröstete die Senatorin jedoch auf heute.

Justizsprecher Achhammer betonte gestern erneut, es habe keine offizielle Anordnung des Kammergerichts gegeben, die Tafel zu entfernen.

Die Charlottenburger Bezirksbürgermeisterin Wissel (SPD) berichtete gestern, das Gericht habe Widerstand dagegen geleistet, die Tafel an der Fassade des heutigen Kammergerichtsgebäudes und ehemaligen RKG-Sitzes anzubringen. Kurz vor Enthüllung der Tafel am Donnerstag hatte es der Vizepräsident des Gerichts, Schmidt, Frau Wissel untersagt, die Tafel an der Fassade des Gebäudes zu plazieren. Die BVV Charlottenburg hatte sich am 25.Mai mit den Stimmen von CDU, SPD und AL für die Gedenktafel ausgesprochen. Die von Weiß beseitigte Holztafel war als Provisorium gedacht und sollte demnächst durch eine Eisenplatte ersetzt werden.

hmt