Grünes Einerlei-betr.: "Cohn-Bendit: 'Grüne verklären Ausländer'", taz vom 29.5.89 / "Ökologischer Umbau", taz vom 7.6.89 / "Ein fraktionsloser Abgeordneter nervt den Bundestag", taz vom 7.6.89 / Dokumentation:"Realo"-Positionspapier,9.6.89

Betr: „Cohn-Bendit: 'Grüne verklären Ausländer'“,

taz vom 29.5.89

Cohn-Bendit hat recht, wenn er bezüglich der Münsteraner Forderung nach allgemeinem Bleiberecht für Ausländer den Grünen Verklärung der Aussiedler und Ausländer bescheinigt. Nicht nur Verklärung ist den Grünen vorzuwerfen, sondern Heuchelei. Als grünes Ratsmitglied beobachte ich seit einiger Zeit, wie das kommunalpolitische Thema: „Wohnungen für Aussiedler“ immer beherrschender wird.

Gesteht man jedem Aussiedler oder Ausländer Bleiberecht zu, sind Konflikte vorprogrammiert: Leerstehende Schulen werden in Aussiedlerwohnungen und nicht in soziokulturelle Zentren umgewandelt, Grünflächen weichen dem Wohnungsbau. Wie wäre, wenn die Berliner Mauer fiele und die DDR alle Reise- und Siedlungsbeschränkungen aufhöbe?

Die multikulturelle Maßnahme Cohn-Bendits, Moschebau in Frankfurt, ist jedoch völlig unverständlich. Atatürk, Gründer der modernen Türkei, warf die fanatischen Mullahs aus den staatlichen Schulen, um islamischen Religionsunterricht zu verhindern. Er kämpfte gegen den Islam, um diese fanatische, steinzeitliche, irrationale, intolerante Religion einzudämmen.

Cohn-Bendit, ein Vertreter des revolutionären Pariser Mai 1968, läßt eine Moschee bauen, warum nicht ein wirklich multikulturelles Begegnungszentrum für alle, auch die atheistischen Ausländer? Französische Revolutionäre schafften vor 200 Jahren Gott ab, beschlagnahmten Kirchengüter, tauften ein Kriegsschiff „Atheist“. Als Marxist, ehemaliger zumindest, weiß Bendit: „Religion ist Opium fürs Volk“. Die monotheistischen Religionen: Islam, Christen- und Judentum sind die schlimmsten Rauschgifte, unter diesen ist der Islam die allerschrecklichste Droge. Leitung des Menschen durch Verstand, Herz und Gefühl, das ist Aufklärung. Religion bedeutet das Gegenteil, Knechtung des Verstandes durch eine verlogene, machtbesessene Priesterclique.

Hartmut Wagner, Schwerte

Mit welcher Leichtfertigkeit Cohn-Bendit mit der flotten Behauptung, das allgemeine Bleiberecht sei eine „Phrase“ die jahrelange Diskussion unter ausländerInneninitiativen, Linken und Grünen vom Tisch fegt, ist mindestens ebenso sensationell wie der erbärmlich opportunistische Verlauf des Interviews. Kein Vorurteil gegenüber ethnischen Minderheiten bei uns, das nicht aufgewärmt würde, keine noch so dämliche Suggestivfrage des Spiegel, auf die er nicht reinfiele. Lobheischend meint er, sich von den naiven Grünen absetzen zu müssen, alles in der selbstgefälligen Pose dessen, der unerschrocken unbequeme Wahrheiten von sich gibt. Und bei alledem kein einziges Wort über das Elend, Angehörige/r einer ethnischen Minderheit oder Flüchtling in der BRD zu sein, über Schikanen, über Auslieferung und Ausgeliefertsein. Wie sich Cohn-Bendit nach diesen Äußerungen noch eine Zusammenarbeit mit AusländerInneninitiativen vorstellt, kann ich mir nicht denken. Er hat sich als Dezernent für Multikulturelles disqualifiziert. Cemal Altun würde sich im Grabe umdrehen.

Stefan Krauß, Obersulm

Betr: „Ökologischer Umbau nur durch Unternehmehr“,

taz vom 7.6.89

Fischer fischt im Trüben

Aus dem Erscheinungsbild und offensichtlichen Niedergang des real existierenden Sozialismus schließt Fischer messerscharf, daß der Kapitalismus endgültig gewonnen habe und deshalb wohl auch richtig sei. So von der Logik des Kapitalismus überzeugt übersieht der Ex-Minister offensichtlich das durch den Kapitalismus verursachte millionenfache Elend der Verhungernden in der Dritten Welt und der Verarmenden in den Industriestaaten, ebenso wie die rücksichtslose Ausbeutung der Meere, der Lüfte, der letzten Kontinente bzw. deren Degradierung zu riesigen Müllkippen.

Eins scheint Fischer an der Logik des Kapitalismus nämlich nicht begriffen zu haben, daß dessen Wachstum, Profit, Macht und Sieg auf einer grenzenlosen Ausbeutung von Mensch und Natur beruht, die zweifellos intelligenter geschieht als im sog. Kommunismus.

Selbst wer also glaubt um der Umwelt willen seinen Frieden mit dem Kapitalismus machen zu müssen, wird Schiffbruch erleiden. Der Glaube, mit dem Kapitalismus die Umwelt zu erhalten ist das Gegenstück zu der sozialdemokratischen Hoffnung auf soziale Gerechtigkeit im Kapitalismus.

Sollten Die Grünen diese Position einnehmen, wären sie als eigene Kraft überflüssig und in der SPD besser aufgehoben.

Wegen der ungeheuer drängenden Probleme muß selbstverständlich jede Möglichkeit untersucht werden, innerhalb dieses Systems für die Umwelt so viel zu retten wie nur möglich und dabei kann die Nutzung von Marktmechanismen durchaus wirkungsvoll sein. Die Grünen aber werden einen eigenen Stellenwert in dieser Gesellschaft nur dann einnehmen, wenn sie nach einer Gesellschaft streben, die die Erhaltung der Lebensgrundlagen, Menschlichkeit und Demokratie gekoppelt mit sozialer Gerechtigkeit zum Ziel hat und nicht die Profitmaximierung.

Daß es noch etwas Neues geben könnte nach Kommunismus und Kapitalismus scheint Fischers Fantasie zu übersteigen.

Dieter Burgmann, Hohenstadt

Man(n) (und auch frau) sollte J. Fischer dankbar sein, daß er seine Rolle als Hofnarr des innovativen Kapitalismus so deutlich gemacht hat. Die kapitalistische Wachstumswirtschaft, die (kleines 1x1) die Umweltzerstörung hervorgebracht hat, hat laut Fischer die „alleinige Verantwortung für die Erhaltung des Ökosystems Erde übernommen„; der Sozialismus sei keine Alternative mehr. Dieses mag zwar für Fischer seit längerem zutreffen, deshalb wird er ja auch von den Medien gesponsort. Der grenzenlose Opportunismus dieses ehemaligen revolutionären Kämpfers macht nur eines deutlich: auf eine solche phrasendreschende grüne Partei kann jede(r) verzichten, da ja dann die SPD gewählt werden kann: auch sie verspricht den ökologischen Umbau und hat längere Erfahrungen im Umgang mit dem Kapital. J.Fischer als „Duzfreund“ (Spiegel) von Lafontaine ist ja schon ganz gut, aber Lafontaine mit Vorstandsvorsitzenden Herrhausen auf dem Titelbild des (eingestellten) Vorwärts, das ist eben viel besser. Deshalb sollten jetzt vom anderen Flügel der Partei ein paar linke Sprüche kommen, wegen der Wahlen.

Robert Lederer, Bochum

Betr: „Ein fraktionsloser Abgeordneter nervt den Bundestag“, taz vom 7.6.89

Die Grünen haben ein vorzeigbares Modell für eine angemessenere Bezahlung ihrer Mitarbeiter und zur sozialen und finanziellen Absicherung in die Wirklichkeit des Parlamentsbetriebes übertragen, heißt es in dem Artikel.

Allerdings: Vorbildlich hin und vorbildlich her: Wenn diese Finanzierung verfassungswidrig ist - das ist unstrittig und nachgewiesen - dann hätte ich den Wunsch, daß die Grünen nichts eiligeres zu tun gehabt hätten, als diese Unregelmäßigkeiten abzustellen - sonst schlagen alle zutreffenden kritischen Argumente gegen die anderen Parteien im Sinne Parteienfinanzierung, Selbstbedienungsmentalität etc. auf die Grünen zurück.

Stattdessen wurde dem Bundesverfassungsgericht eine abenteuerliche Konstruktion angeboten von der jede in der Fraktion weiß, daß sie schlichtweg unwahr ist. Die „Grünen“ hätten gut daran getan, den sozialen Fortschritt und die Besserstellung der Mitarbeiter zu erhalten, aber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise. Letztlich ist diese neue Konstruktion, die ohne Rückkopelung mit dem Rechtsbevollmächtigten und der übrigen grünen Fraktion einsam von grünem Fraktionsvorstand und Geschäftsführung - sowohl in der Art und Weise ihres Zustandekommens als auch in ihrem Inhalt - seitens der grünen Bundestags-Fraktion nichts anderes als die Hintanstellung der Autonomie auch „ihrer“ Abgeordneten zugunsten der Zentralinstanz Fraktionsvorstand/Partei.

Thomas Wüppesahl, Bonn

Betr: Dokumentation des „Realo„-Positionspapiers,

taz vom 9.6.89

Es ist zum Kotzen! Erst plädiert der grüne Aufbruch für eine rot/grüne Koalition zum Nulltarif. Anschließend kommen die Realos und plädieren für die doppelte Nullösung einer SPD/FDP/Grünen-Koalition. Über die Möglichkeiten grundsätzlicher Systemveränderung, sprich radikaler antikapitalistischer und antiimperialistischer Politik wird in dieser Partei nicht mehr gesprochen. Diese Grünen sind nicht mehr meine Partei!

Jetzt gilt es den Bruch mit den Grünen zu organisieren und eine starke, radikale Linke aus DKP-Reformern, Autonomen, kritischen Gewerkschaftern und grünen Ökosozialisten aufzubauen. Organisiert in allen Städten Diskussionsveranstaltungen mit DKP-Reformern, Ökosozialisten (Trampert, Ebermann, Ditfurth...). Beeilt Euch! Bis die Grünen an der Regierung sind, müssen wir ihnen funktionierende Strukturen entgegensetzen. Kampf dem System.

Siggi, München

Gespenstisch wirkt die „Kontroverse“ zwischen Realos und Aufbruch-Gruppe, wie sie gegenwärtig keineswegs in der taz dokumentiert, sondern vielmehr für die taz inszeniert wird niemand scheint noch zuzuhören! Es geht ja auch nur noch ums Marketing: soll der Weg auf die Bonner Regierungsbank mit dem Herausposaunen von „Visionen“, an denen sich die Gesamtpartei längst schon nicht mehr orientiert, geebnet werden oder muß nicht vielmehr nüchtern-technokratisches Krisenmanagement das öffentliche Bild der Grünen bestimmen? Während die Aufbruch-Gruppe in einer nostalgischen Anwandlung noch ein paar linksradikale Begriffe als bloße Sprachhülsen auf die Regierungsbank mitnehmen möchte, bestehen die Realos durchaus „fundamentalistisch“ auf ihrem ursprünglichen Projekt einer kapitalistischen Erneuerung der Gesellschaft mit Hilfe von Umwelttechnologien, „Gemeinsinn“ im Sozialbereich, einer 'europäischen Reformierung‘ der NATO und einem historischen Kompromiß mit den REP's in der Asylpolitik: “... sind wir wirklich genötigt, uns die gemeinsame Absicht, möglichst vielen Einwanderern und Flüchtlingen den Zuzug in die Bundesrepublik zu ermöglichen, dadurch zu verbauen, daß wir offene Grenzen beschließen und die Ängste unserer Mitbürger pauschal als miefig und spießig diffamieren?“, lautet die rhetorische Frage der AutorInnen des Realo-Papiers - exakt so formuliert Schönhuber! Auch der Wunsch nach einer Protestbewegung gegen die Berliner Krawalle erinnert fatal an jene „Bürger“, die bei jeder Anti -Apartheid-Demonstration fragen, warum diese Faulenzer nicht auch mal gegen den Schießbefehl an der Berliner Mauer demonstrieren, wenn sie schon nicht ordentlich studieren können. Auch die Lobhudeleien für Genschers „Abrüstungpolitik“ lassen erkennen, daß der Mehrheitsflügel der Grünen sich dem allgemeinen Gerangel um die „politische Mitte“ angeschlossen hat und sich mittlerweile rechts von der SPD verortet. Wer als Linke(r) dieser grünen Bundespartei noch eine Stimme gibt, hat - vorsichtig ausgedrückt - nicht alle Tassen im Schrank!

Im grünen Flügelstreit ging es einmal um die historische Auseinandersetzung zwischen Reformismus und antikapitalistischer und antipatriarchalischer Systemopposition - heute geht es um „corporate identity“, um die öffentliche Imagepflege des Großunternehmens Die Grünen. Mit gesellschaftlicher Veränderung und historischen Dimensionen hat dies alles in der Tat nichts mehr zu tun da haben Knapp/Hammerbacher recht! Sie vergessen nur zu fragen: warum dann überhaupt noch Grün? Selbst die Funktion eines die SPD zu mehr Reformwillen antreibenden „Motors“ wird von den AutorInnen ja ausdrücklich als mögliche grüne Existenzberechtigung zurückgewiesen. Was die Grünen heute noch wollen, wird die SPD auch alleine schaffen - vielleicht sogar noch mehr (siehe Berlin, wo die Koalitionsvereinbarungen stellenweise noch hinter das SPD -Wahlprogramm zurückfallen). So laßt denn die Toten die Toten begraben - und verschont uns künftig mit derartigen Scheinkontroversen zwischen zwei machtgeilen Cliquen ohne Willen zur gesellschaftlichen Veränderung. Die linke Opposition muß wieder die Straße erobern - der „lange Marsch durch die Institutionen“ ist einmal mehr definitiv gescheitert. Aber mit der Auseinandersetzung um die Ursachen dieses erneuten Scheiterns der Linken hat die grüne Partei nichts mehr zu tun. Der Kampf geht weiter - aber auf anderem Terrain!

Heinz-Jürgern Stolz, Trier