Ökologischer Süd-Süd-Dialog

Auf der Internationalen Umweltkonferenz in Managua forderten Delegierte aus der „Dritten Welt“ Einrichtung eines internationalen Tribunals gegen Umweltverbrechen und eines Weltfonds für Umweltrestauration  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Während im Plenarsaal über Ozonloch und die Rettung der Regenwälder diskutiert wurde, rückte die junge Frau am Büffet den Fliegen mit Gift aus der Spraydose zu Leibe. Kaffee wurde in Einweg-Plastikbechern verabreicht. Am vergangenen Freitag ging im Olof-Palme-Konferenzzentrum in Managua der vierte Umweltkongreß „Schicksal und Hoffnung der Erde“ zu Ende. Rund 1.200 Delegierte von Umweltgruppen, ökologischen Basisinitiativen, Forschungszentren und grünen Parteien aus allen fünf Kontinenten diskutierten fünf Tage lang über Ökologische Probleme, die ihr Land im besonderen, aber letztlich die ganze Welt betreffen. Von den westdeutschen Grünen war aus unerklärlichen Gründen niemand erschienen.

Der Kongreß tagte erstmals vor acht Jahren in New York, dann 1984 in Washington D.C. und 1987 in Ottawa. Zum ersten Mal also fand die Veranstaltung, die ihre Wurzeln in den USA hat, in einem Land der „Dritten Welt“ statt. Trotz der übermächtigen Präsenz von Gruppen aus dem Norden wurde der Kongreß zu einem Austausch zwischen Süd und Süd.

Da berichteten die Delegierten aus Senegal von den Heuschreckenplagen, mit denen sie zu kämpfen haben, und von den toxischen Abfällen, die Schweizer Unternehmen im Nachbarland Guinea Bissau abladen und die auch die senegalesischen Küsten verseuchen. Kritik auch an vielen nicht regierungsgebundenen Organisationen (NGOs), die die gleiche Politik verfolgten wie staatliche Organismen: die Finanzierung von Großprojekten von zweifelhaftem Nutzen.

Manche US-AmerikanerInnen, die die sogenannten „debt-for -nature swaps“, also den Teilerlaß von Schulden als Gegenleistung für die Unterschutzstellung eines bestimmten Gebietes, für die Lösung der Schulden- und der Umweltkrise halten, wurden mit der Ablehnung der Lateinamerikaner konfrontiert. „Damit würden wir die Schulden als gerechtfertigt anerkennen und uns vorschreiben lassen, welche Gebiete wir wirtschaftlich nutzen dürfen“, erklärte Lorenzo Cardenal, ein Berater des nicaraguanischen Landwirtschaftsministers. Und ein Chilene beklagte, daß alles Lamentieren nichts nütze, solange es keine internationale Sanktionsinstanz gebe.

So forderte denn die Arbeitsgruppe „Gesetzgebung und Umwelt“ die Einrichtung eines internationalen Tribunals gegen Umweltverbrechen. Die indische Anwältin Indira Jai Singh, die jahrelange Erfahrungen mit den Opfern der Bhopal -Katastrophe hat, verlangte, daß die transnationalen Unternehmen die Sicherheitsstandards ihrer Produktionsanlagen im Süden denen ihrer Heimatländer anpassen.

150 Milliarden US-Dollar geben die Entwicklungsländer alljährlich für Rüstung aus, wobei die Armeen „im allgemeinen nicht der Sicherheit der Völker dienen, sondern der Sicherheit der Eliten“, wie der Wirtschaftsprofessor Xabier Gorostiaga die Ergebnisse seiner Gruppe zusammenfaßte. Es gibt keine Regeln für die Entsorgung militärischen Mülls, stellte er fest. Die Bekämpfung der Rüstungsindustrie scheine jedoch wenig aussichtsreich, „solange deren Profitraten die der Zivilindustrie um ein Vierfaches übersteigen“. David Brower, einer der Initiatoren der Konferenz, schlug die Gründung eines Internationalen Zentrums für Umweltrestauration in Managua vor: „Vielleicht kann man Gelder aus der Contra-Hilfe in dieses Projekt umleiten, das der Welt sicher mehr nützt.“

Auch in der Schlußresolution, die sich von einem eher lahmen Entwurf zu einem kämpferischen Dokument mauserte, wird eine neue Idee formuliert, nämlich „die Notwendigkeit, daß die entwickelten Länder, die für die Umweltzerstörung in den Entwicklungsländern verantwortlich sind, ihre ökologische Schuld gegenüber diesen Völkern abtragen“. Sie sollen Profite, die ihnen aus der Verschuldung der armen Länder erwachsen, „in einen Weltfonds für Umweltrestaurierung und Entwicklung einzahlen“.

Winfried Hohlfeld vom protestantischen Hilfswerk „Brot für die Welt“ konstatierte mit Befriedigung, daß sich in den Entwicklungsländern die Einstellung zu ökologischen Fragen geändert habe: „Früher sagte man, das ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. Heute sind sich alle bewußt, daß der Umweltschutz notwendig ist, auch wenn er teuer kommt.“

Das gilt auch für die Nicaraguaner, die reichlich Gelegenheit hatten, die von Krieg und Wirbelsturm verursachten Schäden an ihrem Ökosystem darzustellen. Der wachsenden Bedeutung des Süd-Süd-Austausches in Umweltfragen wurde schließlich durch die Wahl des nächsten Konferenzortes Rechnung getragen: die 5. Konferenz wird 1991 in Zimbabwe stattfinden.