Israel verschärft Vorgehen gegen Intifada

Administrativhaft soll von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert werden / Verteidigungsminister Jitzhak Rabin kündigt den Ausbau der Gefangenenlager und neue Vertreibungen von Palästinensern an / Ägyptischer Staatsminister Butros Ghali zu Vorgesprächen in Israel  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die israelische Regierung hat angekündigt, mit neuen, noch härteren Maßnahmen gegen die Intifada, den Palästinenseraufstand in den besetzten Gebieten, vorzugehen. Gleichzeitig warb Ministerpräsident Jitzhak Shamir gegenüber dem ägyptischen Staatsminister Butros Ghali für seinen Vorschlag, Wahlen unter der Besatzung zu organisieren.

Pünktlich nach dem Rücktritt von General Amran Mitzna, seit Beginn des Aufstands zuständig für die Westbank, eröffnete Minister Ronnie Milo (Likud), daß unter seinem Nachfolger Änderungen im Umgang mit der Intifada eingeleitet werden sollen. Verteidigungsminister Jitzhak Rabin ließ keinen Zweifel daran, in welche Richtung diese Änderungen gehen sollen: Es seien andere Mittel notwendig, um die Möglichkeiten der gezielten Bestrafung von palästinensischen Aktivisten zu verbessern. In einem Interview erklärte Rabin, Vertreibungen von Palästinensern seien grundsätzlich ein gutes Mittel, doch dauere es unter den gegenwärtigen Umständen oft bis zu neun Monaten, ehe sie durchgeführt werden könnten. Außerdem ist die Armee gegenwärtig dabei, die Aufnahmekapazität der militärischen Gefangenenlager von derzeit 8.500 auf über 10.000 Häftlinge zu erhöhen. Zusätzlich zu den 8.500 Gefangenen sitzen laut Rabin 4.000 palästinensische „Terroristen“ in Gefängnissen ein.

Presseberichten zufolge soll auch die administrative Haft ohne Anklageerhebung und Gerichtsverfahren von derzeit sechs Monaten auf ein Jahr verlängert werden. Danach könne die Administrativhaft um ein weiteres Jahr verlängert werden. Derzeit beträgt die Zahl der Administrativhäftlinge 1.200. Die meisten gelten als politische Organisatoren des Aufstandes. Menschenrechtsorganisationen waren bereits in der Vergangenheit gegen die Inhaftierung ohne ordnungsgemäßes Verfahren zu Felde gezogen. Doch die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, daß gerade in einer Zeit, in der Israel für seinen Shamir-Plan wirbt, härtere Maßnahmen gegen die Intifada notwendig seien, um die Palästinenser zu einer Änderung ihrer ablehnenden Haltung zu bewegen.

Dieser Plan, der Wahlen für eine Art Autonomieregelung in den besetzten Gebieten und eine fünfjährige „Zwischenlösung“ unter israelischer Herrschaft vorsieht, wird allerdings auch innerhalb des israelischen Establishments völlig unterschiedlich ausgelegt. Die Vorstellungen des Ministerpräsidenten haben in den Reihen des Likud-Blocks bereits zu ernsten Konflikten geführt. Für Industrieminister Ariel Sharon und seine politischen Freunde, die zu den schärfsten Gegnern zählen, eröffnet der Plan den Weg zu einem Palästinenserstaat in der Westbank und dem Gaza -Streifen; die Art, wie Shamir seinen Vorschlag interpretiert, deckt sich kaum mit den Ausführungen seines Stellvertreters Shimon Peres (Arbeiterpartei), und die Vorstellungen eines Ezer Weizman weichen von denen seiner Kabinettskollegen so weit ab, daß sie den Auffassungen der ägyptischen Regierung näher liegen als denen der eigenen.

Vor dem Hintergrund dieses grotesken Chaos‘ ist am Sonntag Butros Ghali, der ranghöchste ägyptische Politiker seit Beginn der Intifada, in Israel eingetroffen. Shamir und Außenminister Mosche Arens streben ein Gipfeltreffen mit Ägyptens Präsident Hosni Mubarak an, aber dies dürfte wohl solange in den Sternen stehen, bis Israel etwas Neues für eine Friedensregelung im Nahen Osten anzubieten hat. Die Regierung in Kairo würde gerne eine Vermittlerrolle zwischen Israel und der PLO einnehmen, quasi als Ergänzung zu den Gesprächen zwischen den USA und der PLO in Tunis. Doch bislang beharrt die israelische Regierung darauf, daß Shamirs Plan nur unter der Umgehung der PLO zu realisieren sei.