Erhellend krebserregend

■ Bremer LehrerInnen an der Decke / PCB im Neonlicht Bremer Schulen

Gewerkschaftlich gebundene gesundheitsbewußte LehrerInnen benutzen in diesen Tagen allerlei Gerätschaft, um an die (Schul)Decke zu gehen. Allerdings: Nicht ein neues BIPS -Pausen-Programm zur physischen PädagogInnen-Fitness ist Anlaß für die Kletter-und Balancierkünste unter Bremens Schuldächern. Die LehrerInnen müssen einfach befürchten, mit dem alltäglichen Schulmief schleichend vergiftet zu werden. Potentiell in jeder Neonlampe lauern Gesundheitsgefahren. Ihr Name: polychloriertes Biphenyl, kurz PCB.

Der hochgiftige, hochgradig krebserzeugende Stoff, der nach neueren Verordnungen nicht einmal mehr in geschlossenen Kreislaufsystemen verwendet werden darf, war bis 1983 gängiges Isolationsmaterial in Kondensatoren, die Neonleuchten das Flimmern abgewöhnen sollen. Durch einen Artikel der Zeitschrift „Ökotest“ hellhörig geworden, hat der Personalrat Schulen Bremens LehrerInnen jetzt auf die „Gefahr aus der Lampe“ aufmerksam gemacht und zur Selbsthilfe und Selbstkontrolle ermutigt. Ausge

stattet mit Steighilfen wie Tischen, Stühlen und Leitern und einer Liste mit Deklarations-Kennzeichen für PCB-haltige Kondensatoren suchen Bremer LehrerInnen seither so intensiv nach dem Gift im Licht, daß ein Schulleiter sich bereits mit einem schriftlichen Runderlaß die Turnübungen verbat.

Erste Rückmeldungen beim Personalrat zeigen allerdings: Die Suche hat sich gelohnt, der Verdacht des Personalrats angesichts des kargen Bremer Investitionsetat für Schulmodernisierungen bestätigte sich. In zahlreichen Bremer Schulen wurden die pädagogischen Kletterkünstler PCB-fündig. In der Berufsschule Steffensweg brennt das Giftlicht beispielsweise ebenso wie in Huckelriede, der Koblenzer-oder der Nürnberger Straße.

Was die LehrerInnen erst jetzt herausfanden, ist in der Behörde von Bildungssenator Franke allerdings längst keine Neuigkeit mehr. Spätestens seit Februar weiß man dort, daß ältere Leuchtstofflampen PCB enthalten. Während in anderen bundesdeutschen Großstädten allerdings flächen

deckende Programme zur Erneuerung sämtlicher Kondensatoren aufgelegt wurden, entschied der Bremer Senat am 28. Februar 1989: Nur dort, wo bei routinemäßigen Kontrollen ausgelaufene Kondensatoren gefunden werden, sollen neue installiert werden. Für eine Komplettsanierung fehle in Bremen das Geld.

Walter Freitag, Leiter der Abteilung „Schulplanung“ in Frankes Behörde, mußte gestern gegenüber der taz allerdings einräumen: Regelmäßige Untersuchungen aller Lampen finden überhaupt nicht statt. Entdeckung und Austausch ausgelaufener PCB-Kondensatoren bleiben damit erstens dem Zufall und zweitens den Schulhausmeistern überlassen. Eine nicht ungefährliche Aufgabe, wie Umweltexperten bestätigen: Ist die gelbliche PCB-Soße nämlich erst mal ausgelaufen, ist bereits oberflächlicher Hautkontakt gefährlich. Außerdem: Vorschriftsmäßig kann PCB nur entsorgt werden, solange es nicht aus den Aluminiumhüllen ausgetreten ist und eine bräunlich-giftige Kruste gebildet hat.

K.S.