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Geschichtsentsorgung

Berlin (taz) - Eine Geschichtsaufarbeitung eigener Art betreibt am Berliner Kammergericht der 58jährige Richter Egbert Weiß. Eine provisorische Mahntafel, an der Fassade des Kammergerichtes angebracht, sollte über 500 Kriegsdienstverweigerern und Widerstandskämpfern gedenken. Sie waren unter der Nazi-Herrschaft nach 1936 in diesem Gebäude vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt worden.

Aufgestellt wurde das Mahnmal am letzten Donnerstag zum Abschluß der Begrüßungsfeierlichkeiten für den 50.000sten Kriegsdienstflüchtling aus Westdeutschland. Am Freitag war die Tafel verschwunden. Von Bauarbeitern abmontiert und zerstückelt wurde sie später in einem Müllcontainer wiedergefunden. Der Auftrag dazu kam von Richter Weiß. Der Jurist ist kein Unbekannter. An einer Vielzahl politischer Verfahren - von den Prozessen gegen den Rechtsanwalt Mahler und die „Bewegung 2. Juni“ bis zur Verurteilung der 'Radikal'-Herausgeber Klöckner und Härlin - hat er tatkräftig mitgewirkt. Ins Rampenlicht rückte er schon 1968. Als Mitglied des Berliner Schwurgerichts schrieb er Rechtsgeschichte. Das Gericht hatte den früheren Kammergerichtsrat Rehse vom Mord-Vorwurf für seine Beteiligung an den Todesurteilen des Volksgerichtshofes freigesprochen. Die Urteile hätten danach „noch im Bereich der Gesetzesauslegung gelegen“. Der Freispruch führte dazu, daß gegen keinen der „schrecklichen Juristen“ jemals ein Urteil ergangen ist. Ob gegen Weiß jetzt disziplinarische Mittel eingeleitet werden, war gestern in der Justizbehörde noch ungeklärt.

wg

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