Spaziergänge durch bremische Kunst-Stätten

Diesmal: Altes Gymnasium, Remberti-Galerie, Ambrosia, Lysistrata  ■  K U N S T L I C H T

Risse, poröse Stellen, bröckelnde Strukturen bilden das Ambiente, in dem Kunst Wurzeln treibt. Eine Bestätigung dafür ist seit zwei Jahren das Alte Gymnasium, das sich heimlich zu einem utopischen Ort entwickelt hat, der malende, plastizierende, und Architekur-StudentInnen der HfK und Filmleute unter einem Dach vereint. Die Außenstelle der beengten Wandrahm-Zentrale bietet Raum, und die Kunst wuchert und kennt keine Fächergrenzen mehr. MalerInnen entdecken den Raum und installieren ungehemmt, ein Plastiker streunt durch die Ateliers, sucht Anregungen, über allem schweben Pianoklänge und Afrorhytmen. Und der wache Besucher entdeckt Kunst im Fußboden, an einem Strick, auf einer toten Treppe, Zitate, Interpretationen des Raums, Fetische.

Doch bald ist Schluß mit dem stimulierenden morbid -lebendigen Schmuddelambiente: Geld ist da, umgebaut wird, jenes ominöse „Filminstitut“ braucht viel Platz, die Studis sind bei der Planung ihrer künftigen Räume unbeteiligt, auch wenn sie sich mit Architektur befassen. Melancholie allerorten, und die Kunst wehrt sich nicht. Kondolenzbesuche sind erwünscht. (Altes Gymnasium in der Dechanatstr.)

Wer sich dem expressionistischen Gestus verwandt fühl, wen existenzialistische Thematik anzieht, der ist bei den Bildern, bemalten Keramiken und Künstlerbüchern des Sachsen Helge Leiberg bestens aufgehoben. Der Ex-Dresdener Jetzt -Berliner (West-Version) gehörte der Szene um A.R.Penck/Sascha Anderson/Uwe Kolbe an, die lauter avangardistische Multimediaprojekte anstießen - Malerei plus Tanz plus Literatur plus Film plus Rockmusik. Immer sub-und gegenkulturell. Die Remberti-Galerie präsentiert überwiegend großflächige Tafelbilder zu Tod-Tanz-Liebe-Körper, teils figurativ, teils abstrakt und wild, immer kraftvoll in der Farbe. Sinnliche Bilder voller guter und böser Träume, gezähmt und gebremst von solider Akademieausbildung und dem Material, „langsamer“ Eitempera. (Fedelhören 36; bis zum 30.Juni)

Am Dobben nahe dem magischen Kreuz findet sich neuerdings ein Schaufenster, das Verwirrung stiftet: Beethovenbüste, Spielzeugmännlein auf Sand, Glaskugeln und - aha! esoterische Einführungsliteratur. Ambrosia heißt der Laden dahinter, und so klein er ist, so viele Projekte will er in sich vereinigen. Eins davon, neben Meditation/Verlag/Kunsthandwerk heißt „Galerie“, und wer seine Bilder ausstellen will und „ein bißchen esoterisch kosmologisch - politisch“ malt, hat bei Anne-Gesine Roggendorf eine gute Chance, aber: sie verläßt sich letztlich auf ihre Intuition. (Am Dobben 82)

Vielleicht muß man von „Vermächtnis“ reden, will man über die Bilder der achzigjährigen Liselotte Schütte-Bellstedt sprechen, die Lysistrata noch bis zum Wochenende zeigt. Es handelt sich um Werke sehr disparater Form und Qualität, die eher eine Person als einen Stil repräsentieren. Abstraktes nach Art der Futuristen mischt sich mit Halbkonkretem, Albträumen, schlichten Stilleben und gezeichneten Portraits. Produktion auf den Kunstmarkt hin war Frau Schütte -Bellstedts Sache nicht, sie malt unbefangen und auch überraschend frisch. (Contrescarpe 8)

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