SPD: Aussiedlerquote für Berlin verringern

■ Die SPD-Fraktion befaßte sich in einer Sondersitzung mit dem Problem der Aus- und Übersiedler / Die Möglichkeiten Berlins sind erschöpft / Bundesinnenminister soll die Aufnahmequote von 8 auf 3% senken

Der Zuzug von Aussiedlern und Übersiedlern nach Berlin muß nach Ansicht der SPD-Fraktion gestoppt werden. Die Fraktionäre wollen den Senat darin unterstützen, die Aufnahmequote von 8 Prozent, zu der Berlin verpflichtet ist, mindestens zu halbieren. Realistisch wäre, so gestern der Fraktionsvorsitzende der SPD Staffelt, eine Quote von etwa 3 Prozent zu erreichen. Die SPD-Fraktion hatte sich in einer Sondersitzung mit den Problemen der Aus- und Übersiedler beschäftigt und eine Reihe politischer Forderungen entwickelt.

Um die Übersiedlung weniger attraktiv zu machen, will die Fraktion unter anderem das Bundesvertriebenengesetz ändern. Man müsse prüfen lassen, so Staffelt gestern, ob die Kriegsfolgegesetze noch „zeitgemäß“ seien und ob der Begriff des „Vertriebenen“, aus dem sich die Sonderrechte ableiten, noch zutreffe. Das Bundesvertriebenengesetz bedürfe möglicherweise einer „Anpassung“. Allerdings, das betonte Staffelt, sei man bislang erst dabei, dies zu „überlegen“. Um die Lebenssituation der Aussiedler in ihren Heimatländern zu verbessern, wird die Bundesregierung aufgefordert, mittelfristig die Wirtschaftshilfen zu verstärken. Vom Bund fordert die SPD-Fraktion, die Finanzhilfe für den sozialen Wohnungsbau zu verdoppeln. Außerdem sollte die Sprachförderung nicht mehr von der Bundesanstalt für Arbeit, sondern aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden. Den Senat forderte die SPD auf, die Berlin zustehenden Mittel aus dem EG-Struktur- und Sozialfonds für 1990 rechtzeitig zu beantragen und voll auszuschöpfen.

Bislang sind die Bemühungen der Sozialsenatorin Stahmer (SPD), auf Bundesebene für Berlin eine Reduzierung der Quote, die im Jahr 1962, als Berlin dringend neue Arbeitskräfte brauchte, festgelegt worden war, zu erwirken, am Widerstand der übrigen Länder gescheitert. Von der SPD -Fraktion wurde sie jetzt aufgefordert, beim Bundesinnenminister eine Sonderregelung für die überdurchschnittlich belastete Stadt zu erwirken. Im Jahr 1988 hat Berlin 19.680 Aus- und Übersiedler aufgenommen und damit die Quote um 0,5 Prozent überschritten. Bis zu 40.000 Menschen werden nach Auskunft von Staffelt für das Jahr 1989 erwartet. Für den Wohnungsbau beispielsweise hieße das, allein in diesem Jahr entstünde ein zusätzlicher Bedarf von 10.000 Wohnungen. 7.500 kann und will der Senat aber laut Koalitionsvereinbarung in diesem Jahr nur bauen. Die Bundeshilfe für den sozialen Wohnungsbau, forderte Fraktionsgeschäftsführer Kern, müsse verdoppelt werden.

Dem angeblichen „Unmut“ in der Bevölkerung gegen die Aus und Übersiedler will die SPD-Fraktion damit entgegenwirken, daß diese den bereits hier lebenden Deutschen gleichgestellt würden. Jugendliche, nannte Staffelt ein Beispiel, sollten, wenn sie von zu Hause ausziehen, ebenso wie hier ankommende Aussiedler Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein mit Dringlichkeit haben. Daß dies real die Wohnungsnot nicht beheben könne, sieht Staffelt auch, aber: „Hier ist auch Psychologie im Spiel.“

bf