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Privatfunkinteressen: Liedermacher contra Verleger

■ Tageszeitungsverleger haben bereits sechs Millionen investiert / Kulturmanager Dehm bietet mit Greenpeace und amnesty international Binnenpluralität an / HR überzieht potentiellen Konkurrenten mit Prozessen

Vergeblich um Durchblick bemüht sich derzeit in Frankfurt Dr. Harald Josse. Er ist einer der beiden Geschäftsführer der „FFH - Privat-Funk und Fernsehen Hessen GmbH und Co. KG“, der Gesellschaft der hessischen Tageszeitungsverleger, die sich anschickt, in Bälde eine landesweite Privatfunkkette auf die Beine zu stellen. Was Dr. Josse den Weitblick raubt, sind Schichten von Zementstaub auf seinem Bürozimmerfenster. Vor einigen Tagen hat die FFH zwei Etagen eines Bürogebäudes im Stadtteil Rödelheim bezogen und baut sie seitdem zügig zu Redaktionen, Verwaltungsbüros und Radiostudios aus. Gewagtes Vorhaben

Das Vorhaben , schon vor Erteilung einer Sendelizenz mit Funkhaus und sechzigköpfiger Belegschaft in den Startlöchern zu stehen, ist freilich recht gewagt. Denn noch weiß niemand, ob FFH tatsächlich den Zuschlag erhält - auch wenn vieles darauf hindeutet. Mit einem herzhaften „Oh Gott - das weiß keiner“ reagiert Josse denn auch auf die Frage, wann sich denn seiner Einschätzung nach Neues tun wird im Hessenland. Hessen ist das einzige Bundesland der BRD, in dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk faktisch noch ein Monopol hat. Seit der neuen CDU/FDP-Landesregierung war die Abschaffung dieses Monopols nur eine Zeitfrage. Das „Gesetz über den Privaten Rundfunk in Hessen“ wurde Ende vergangenes Jahres verabschiedet. Es sieht ausdrücklich nicht viele Lokalsender vor, sondern eine einzige landesweite Kette. Eingeflossen in den Gesetzestext sind die Erfahrungen mit dem Privatfunk aus anderen Bundesländern, vor allem aus Niedersachsen, sagt die Landesregierung. Einen „Maßanzug für die Verleger“ sieht dagegen Dietmar Glaßer, beim hessischen DGB für Medienpolitik und kommerziellen Rundfunk zuständig. 3.200 Bewerbungen

Fakt ist: Spätestens seit im Mai das Ausschreibungsverfahren startete, begann in einigen Frankfurter Vorstandsetagen hektische Betriebsamkeit. FFH inserierte gleich reihenweise in Banchenblättern und hat seitdem 3.200 Stellenbewerbungen erhalten, 2.500 allein aus dem journalistischen Bereich. Sollte FFH tatsächlich die begehrte Lizenz bekommen, in die Hessens Verleger immerhin sechs Millionen Mark im voraus investieren, will man zwar nicht gleich am nächsten Tag senden, aber „vielleicht 'ne Woche später“, sagt Geschäftsführer Josse. FFH „zutiefst undemokratisch“?

Diese Politik der geschaffenen Fakten sei „zutiefst undemokratisch“, empört sich Dr. Diether Dehm (alias Liedermacher „Lerryn“), bei der SPD ebenso gelitten wie bei multinationalen Unterhaltungskonzernen. „Die FFH verspricht Dinge, die in der Hand der Vergabeanstalt liegen.“ Der umtriebige Kulturmanager, der nebenbei noch in OB Volker Hauffs Frankfurter Wahlkreis für den Bundestag kandidieren will, hat seinerseits alles, was halbwegs links und finanziell potent ist, um sich versammelt. Zu Dehms Konkurrenzgesellschaft „PRH - Privatfunk Radio in Hessen GmbH und Co. KG“ gehören neben Geldgebern aus dem SPD-Umfeld auch die „umwelt- und friedenspolitischen Buchverlage“ (Dehm) Luchterhand, Eichborn und Verlag der Autoren, außerdem die Herren Klaus Lage, Peter Maffay und Albert & Emil Mangelsdorff bzw. ihre Musikverlage, die Büchergilde Gutenberg und die DGB-„Union„-Druckerei.

Das Dehm-Konsortium hält sich zugute, was den laut Dehm „rechtslastigen“ Verlegern nicht nur von der direkten Konkurrenz abgesprochen wird: Binnenpluralität. Im PRH -Verwaltungsrat sollen alle gesellschaftlich relevanten Gruppen sitzen, einschließlich den bei keiner öffentlich -rechtlichen Anstalt vertretenen Organisationen Greenpeace und amnesty international. Knackpunkt Tarifverträge

Eben diese Zusammensetzung ist Dehms größter Trumpf, ähnelt sie doch der des Lizenz-Vergabegremiums. Außerdem will PRH auch sogenannten „festen freien Mitarbeitern“ Tarifverträge zugestehen, wozu sich die Verleger noch nicht durchringen konnten. Doch das wundert nicht weiter. Hessens Tageszeitungsverleger sind seit elf Jahren die einzigen, die den sonst bundesweit gültigen Tarifvertrag für „Freie“ nicht unterzeichnen. „Zwei Tage vor Ablauf der Frist Anfang August werden wir unseren Antrag einbringen“, kündigt Dehm an und will - wie die Verleger-Konkurrenz - ab 1.1. 1990 sendebereit sein.

Programmatisch sind zwischen FFH und PRH im Vorfeld nur wenig Unterschiede auszumachen. Beide wollen ein zumindest überwiegend selbstgestaltetes Rund-um-die-Uhr-Programm anbieten mit Korrespondenten im ganzen Bundesland. Dehm allerdings sieht sich auch hier im Vorteil. „Wir sind allemal kompetenter als die Zeitungsverleger. Die glauben doch immer noch, Hörfunk sei vorgelesene Zeitung.“ Ausgerechnet Hans-Dieter Hillmoth (ehemals beim als besonders anspruchslos geltenden „Radio Charivari“) zum Programmchef bei FFH zu machen, „das ist wie die Puffmutter auf die Karfreitagskanzel zum Predigen zu schicken“, läßt sich Dehm zitieren. Im Hintergrund Juristengerangel

Der Riese im Hintergrund, der Hessische Rundfunk (HR), reagiert derweil hektisch. Per Gerichtsbeschluß hat er erreicht, daß der Geschäftsführer der „Privat-Funk & Fernsehen Hessen GmbH“ (FFH), Gebhard Ohnesorge, künftig nicht mehr behaupten darf, der HR überziehe die potentielle Konkurrenz mit Prozessen. Im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit darf Ohnesorge auch nicht mehr von „Filz“ sprechen, bestimmte das Oberlandesgericht in Einstweiligen Verfügungen. Beide Aussagen waren in einem taz-Bericht über FFH im November 1988 enthalten. Daß der HR in Rechtsstreitigkeiten mit FFH die Anwaltskanzlei der Frau von HR-Intendant Kelm beauftrage, „riecht nach Filz“, hatte Ohnesorge auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Hofgeismar ausgerufen. Die Pressestelle des HR sagte jetzt dazu, mit der bewußten Kanzlei arbeite der Sender bereits seit 30 Jahren zusammen. Kelms Frau befasse sich zudem ausschließlich mit Bau- und Scheidungsangelegenheiten.

Auch der Rechtsstreit um den künftigen Namen des Verlegerfunks geht weiter. Der öffentlich-rechtliche HR hat „Funk und Fernsehen Hessen“ wegen möglicher Verwechslungsgefahr ebenso abgelehnt wie „Hessenwelle“, „Neue Welle Hessen“ und „Radio Hessenwelle“.

Widerstände erlebt der HR aber auch von innen, seit die angekündigte „Programmstrukturreform“ für alle vier Hörfunkprogramme auf dem Tisch liegt. Ihr sollen politische Programme wie „Unterwegs in Hessen“ und „Passiert - Notiert“ (zusammen 21 Sendestunden wöchentlich) und Informationssendungen wie „Von 8 bis 12“ ganz oder größtenteils zum Opfer fallen. Wortbeiträge in wichtigen HR -3-Magazinen sollen von bislang drei Minuten Dauer auf „sparsame journalistische Formen“ umgestellt werden - sprich 90 Sekunden. Die „Reform“, gegen die feste wie freie Mitarbeiter bereits Sturm laufen, soll nach und nach bis zum Herbst eingeführt werden - für die private Konkurrenz ein denkbar günstiges Meinungsklima, wie viele meinen.Thomas Östreicher

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