SPD-Ostpolitik unter CDU-Flagge?

Bonn (taz) - Zunächst schien es ein Witz zu sein: Die Pressezentren der Bundesregierung und der Sowjets sind während des Staatsbesuchs im Konrad-Adenauer-Haus, der Bonner CDU-Zentrale, eingerichtet. Mittlerweile ist dieser Tagungsort allerdings vom Kuriosum zum Symbol geworden: Von der parlamentarischen Opposition gibt es zu diesem geschichtsträchtigen Ereignis keinen eigenen Beitrag.

Auf die Frage, was ein SPD-Kanzler bei diesem Staatsbesuch anders gemacht hätte, nannte die Parteigeschäftsführerin Anke Fuchs nur einen einzigen Punkt: die Verhandlungen über Kurzstreckenraketen mehr zu betonen.

Nach Veröffentlichung der deutsch-sowjetischen Erklärung machte sich bei den Sozialdemokraten regelrechte Begeisterung über das Produkt Kohlscher Politik breit. Egon Bahr ist „ungeheuer angetan“ von dem Papier, das er selbst nicht hätte besser formulieren können. Parteichef Vogel hat in dem Dokument gar Aspekte sozialdemokratischer Urheberschaft ausgemacht: Einige Stellen der Erklärung lehnten sich fast wörtlich an das Dialog-Papier von SPD und SED an. Da die SPD bei soviel Übereinstimmung nur jene ostpolitische Urheberschaft in die Waagschaale zu werfen hat, wird bei der morgigen Bundestagsdebatte zum Gorbatschow -Besuch Willy Brandt als Hauptredner auftreten.

Bei den Grünen, die sonst Presseerklärungen am laufenden Meter herausgeben, herrscht weitgehend Funkstille. In einem Brief an den Staatspräsidenten schlagen sich die Grünen vor allem innenpolitisch selbst auf die Schulter („Unsere Vorschläge finden zunehmend Beachtung“); die kleine Partei will den Kreml-Chef „ermutigen“, seine Abrüstungspolitik „unbeirrt fortzusetzen“. Kritik wird auf wenige Zeilen beschränkt: In „einigen“ Verträgen sei „kein neues Denken im Verhältnis Ökologie-Ökonomie zu entdecken“. Das „westlich -kapitalistische Modell“ der Dominanz der Ökonomie über die Ökologie solle vom Osten nun nicht einfach kopiert werden. Ansonsten wird die Wirtschaftsreform in der Sowjetunion von den Grünen aber „begrüßt“.

Charlotte Wiedemann