Euro-Langweiler im TV

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Wenn Moderator Fritz Pleitgen sich schon im ersten Satz das Versprechen abringt, daß der Abend spannend wird, dann klingt das wie eine Selbstermutigung, wie eine Beschwörung. Und die blieb es auch während der langen dreieinhalb Flimmerstunden, die sich die ARD für die Berichterstattung über die Euro-Wahlergebnisse gegeben hatte.

Dabei besteht das Kunststück eines solchen TV-Wahlmarathons ja gerade darin, die Zeit zwischen der ersten verläßlichen Hochrechnung und dem Ende der Sendung informativ und analysierend zu gestalten. Mehr als drei Stunden Zeit war dafür vorhanden, denn das Ergebnis stand bereits nach einer Viertelstunde fest - zumindest das bundesdeutsche. Aber was wurde aus diesen drei Stunden gemacht? Nach 90 Minuten fielen die ersten analytischen Sätze zum Wahlergebnis in der Bundesrepublik. Johannes Gross war der einzige, der zum keineswegs überraschenden Abschneiden der „Republikaner“ eine These wagte: Das Problem sei, so der 'Capital' -Herausgeber und konservative Analytiker, der Stau in der Mitte. Das war dann auch schon Höhepunkt an Analyse.

Ich weiß nicht, ob sich durch vier Wochen amerikanische TV meine Sehgewohnheiten so verändert haben, jedenfalls waren es vor allem die langatmigen leeren Politikerstatements, die mich schon nach dem ersten Interview auf die Uhr schauen ließen. Zehn Minuten durften sich die jeweiligen Generalsekretäre der Parteien auslassen, und die Journalisten gaben ihnen gutwillige Stichworte. Wer geglaubt hatte, dies würde einem wenigstens die Bonner Elephantenrunde ersparen, der wurde nicht nur getäuscht, sondern der mußte sich sogar eine halbe Stunde zumuten, ohne den eigentlichen Hauptdarsteller des Abends, den „Republikaner„-Chef Schönhuber zu Gesicht zu bekommen. Statt dessen die immer gleichen Beschwörungsformeln der Parteivorsitzenden, man müsse sich politisch mit den „Republikanern“ auseinandersetzen. Eben! Und deshalb hätte er in der Elephantenrunde gelöchert werden müssen und nicht außen vorbleiben dürfen. Denn das trug und trägt zur Mystifizierung der REPs nur bei. Alles in allem kam die Berichterstattung über die Wahlen in den europäischen Ländern zu kurz, blieb Statistik, die zum Teil sogar absurd wirkte, etwa die über die Wahl in Irland. Dort tauchten in der Statistik unter „andere“, als kleiner Rest gewissermaßen, 78 Prozent auf.

Einzig spannend an der langatmigen Berichterstattung war letztlich der vorsichtige Umgang von SPD und CDU miteinander, das aufziehende Gespenst einer möglichen Großen Koalition.

mtm