Bilder Papandreous hängen auf Halbmast

Patt in Griechenland / Starke Gewinne für die konservative „Nea Demokratia“ bei Parlamentswahlen in Griechenland / Absolute Mehrheit verfehlt / Papandreou will mit Linksbündnis koalieren / Geringe Wahlbeteiligung / Neuwahlen noch in diesem Sommer?  ■  Aus Athen Klaus Hillenbrand

Drei Uhr nachts auf dem Syntagma-Platz in Athen: Ein ohrenbetäubendes Hupkonzert Tausender Autofahrer tönt in Griechenlands Hauptstadt. Fußgänger, Privatwagen, Lkws, ja selbst die Müllabfuhr sind mit den Fahnen der Konservativen ausgerüstet. Die Polizei bemüht sich vergeblich, den Verkehr zu regeln. „Die absolute Mehrheit“, versprach Pasok-Chef und (Noch-)Premierminister Papandreou noch am Wahltag seinen Anhängern. Jetzt liegt der zentrale Wahlkampfstand der „Panhellenischen Sozialistischen Bewegung“ (Pasok) verlassen da zwischen den Fans des Gewinners Kostas Mitsotakis. Stelltafeln sind umgestürzt, die Bilder Papandreous hängen auf Halbmast.

Kostas Mitsotakis‘ „Nea Demokratia“ ist der große Gewinner der Parlamentswahlen vom Sonntag, doch wird er seines Sieges wohl nicht recht froh werden. Denn mit 41,8 Prozent Prozent der Stimmen (1985: 40,84 Prozent) und voraussichtlich 145 Sitzen im 300köpfigen Parlament verfehlte der Konservative die absolute Mehrheit. Papandreous skandalgeschüttelte Pasok brachte es auf immer noch 38,9 Prozent (1985: 45,82 Prozent) und 124 Sitzen. Das Linksbündnis aus Orthodoxen und Eurokommunisten, linken Unabhängigen und ehemaligen Pasok -Anhängern erreichte nur magere 12,8 Prozent und 29 Sitze, kaum mehr als die Kommunisten vor vier Jahren. Jeweils ein Sitz geht an den Abtrünnigen der Nea Demokratia, Stefanopoulos, und einen Vertreter der moslemischen Minderheit Nordgriechenlands. Die faschistische Epen blieb bei den Wahlen ebenso auf der Strecke wie alle drei miteinander konkurrierenden grünen Parteien.

Spätestens heute wird ND-Chef Mitsotakis vom Staatspräsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. In den drei Tagen, die ihm dazu laut Verfassung bleiben, wird es ihm jedoch kaum gelingen, eine absolute Mehrheit zusammenzukaufen. Als nächster ist dann Andreas Papandreou dran: Noch in der Wahlnacht sprach er von einer „progressiven Mehrheit“, die das Weiterregieren der Pasok ermöglichen könnte. Eine Koalition mit dem Linksbündnis ist zwar rechnerisch möglich. Vor den Wahlen hatten aber sowohl KP-Chef Florakis als auch der Vorsitzende der unabhängigen Linken, Kouris, mehrfach erklärt, nur mit einer von den Skandalen gereinigten Pasok zusammenarbeiten zu wollen. Ihre Hauptforderung ist der Abtritt von Andreas Papandreou von der politischen Bühne. Doch der denkt trotz des Wahldebakels vom Sonntag offenbar nicht an einen Rücktritt. Ob das Linksbündnis mit seiner Forderung nach einem Abgang Papandreous standhaft bleibt, ist ungewiß.

Schon vor rund drei Wochen orakelte KP-Chef Florakis, daß Papandreou ja nicht zu den Hauptbelasteten im Koskotas -Skandal gehöre, in dem ein mit der Regierung verbündeter betrügerischer Bankier den Staat um mehrere hundert Millionen Dollar geschröpft hat. Gestern erklärte Florakis sibyllinisch, man werde jede konservative und unpopuläre Politik bekämpfen. Im Gegensatz zur KP haben dagegen die Unabhängigen im Linksbündnis ein Zusammengehen mit einer Pasok unter Papandreou grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Koalition zwischen Nea Demokratia und den Linken im Zeichen der Säuberung von den Skandalen erscheint ebenso unmöglich wie ein Bündnis zwischen den beiden Großen. Sollten also weder Nea Demokratia noch Pasok noch das Linksbündnis in den ihnen jeweils zustehenden drei Tagen eine tragfähige Koalition zusammenbringen, sind Neuwahlen wahrscheinlich. Dazu müßte das Oberste Gericht eine Übergangsregierung einberufen. Die dann fälligen Neuwahlen würden laut Verfassung innerhalb der nächsten 90 Tage durchgeführt. Er habe eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg, verkündete Andreas Papandreou noch in der Wahlnacht.

Doch der Verlust von rund sieben Prozentpunkten gegenüber 1985 ist die Quittung für den finanziellen Selbstbedienungsladen, den der 70jährige Papandreou als griechischen Weg zum Sozialismus verkaufen wollte. „Katharsis“ (Erneuerung) war denn auch die Hauptforderung der Opposition im Wahlkampf, in dem politische Inhalte praktisch keine Rolle spielten. Statt dessen avancierten die angeblichen sexuellen Ausschweifungen der Spitzenkandidaten und die Liaison von Papandreou mit Dimitra Liani zum Wahlkampfschlager. Wie tief das Interesse der Griechen an dieser Art Politik gesunken ist, zeigt die Wahlbeteiligung: Nur rund 75 Prozent der Stimmberechtigten nahmen trotz Wahlpflicht an dem Urnengang teilt, von denen noch einmal rund zwei Prozent mit „ungültig“ stimmten.

Daß es neben den Parlamentswahlen noch um das Europäische Parlament ging, blieb gestern nahezu ungeachtet. Hier gewann die Pasok 34,9 Prozent und neun Sitze, die Nea Demokratia erhielt 42,1 Prozent und zehn Sitze, das Linksbündnis kann bei 13,46 Prozent mit drei Abgeordneten ins Europaparlament einziehen. Dort wird auch die faschistische Epen das rechtsradikale Lager verstärken. Bei 1,3 Prozent erhält die Partei einen Sitz.