SPD in Helmut Kohls Stammland im Aufwind

■ Niedergang der CDU in Rheinland-Pfalz setzt sich bei den Kommunalwahlen fort / Rot-Grün erobert Trierer Rathaus / „Republikaner“ und FDP bei vier Prozent landesweit / Grüne stabil / CDU-Parteichef Wilhelm könnte Ministerpräsident Wagner verdrängen

Trier/Mainz (taz) - Umbruchstimmung im Land der Reben und Rüben: Bei den Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz hat die CDU durch die Bank empfindliche Niederlagen erlitten, die SPD segelt im Aufwind und hat erstmals seit Bestehen des Bundeslandes eine reelle Chance, stärkste politische Kraft im Stammland Helmut Kohls zu werden. Den Grünen und der FDP bläst eine freundliche Brise entgegen, und die rechtsradikalen „Republikaner“ erzielten dort, wo sie antraten - im Süden des Landes - Erfolge. Der Niedergang der CDU, die viele Städte und Gemeinden einst mit bayerischen Mehrheiten regiert hatte, setzte sich bei der Vergabe der rund 30.000 kommunalen Mandate fort: Fast überall verlor sie ihre absoluten Mehrheiten, Verluste zwischen 8,5 und über elf Prozent drückten die Partei von landesweiten 45,6 Prozent bei den Wahlen 1984 auf knappe 40 Prozent der Stimmen. Die SPD, 1984 durchschnittlich mit 40,1 Prozent noch deutlich zweite Kraft, schafft voraussichtlich den von ihr als „historisch“ empfundenen Sprung zur stärksten Partei in dem traditionell konservativen Land. Endgültige Ergebnisse werden nach Auskunft von Landeswahlleiter Karl -Heinz Weis wegen des neuen Wahlrechts erst für heute oder morgen erwartet. Die 2,9 Millionen wahlberechtigten BürgerInnen konnten am Sonntag erstmals neben der üblichen Listenwahl auch Personenstimmen verteilen (kumulieren) und listenübergreifend ihr Kreuz machen (panaschieren). Schon vor dem endgültigen Ergebnis steht fest, daß es in einer Reihe von Städten Mehrheiten für rot-grüne Bündnisse geben wird. In Trier, der Heimatstadt von Ministerpräsident Carl -Ludwig Wagner, stürzt die CDU von satten 51,2 Prozent auf rund 42,5 Prozent und wird damit erstmals nur zweitstärkste Kraft hinter der SPD, die auf 43,7 Prozent (1984: 38,2 Prozent) zulegen konnte. Zusammen mit den auf fast zehn Prozent erstarkten Grünen (1984: 6,9 Prozent) stehen die Weichen damit auch in Deutschlands ältester Stadt auf Rot -Grün.

In den anderen Großstädten zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. In Koblenz steht die SPD in den Startlöchern, um im kommenden Jahr erstmals einen Genossen zum Oberbürgermeister zu wählen, in der Landeshauptstadt Mainz fiel die CDU um 7,5 auf jetzt rund 32 Prozent ab. In der Westpfalz konnten die Genossen stellenweise 56 Prozent erzielen (Kreis Kusel). Auch in Kaiserslautern ist die SPD mit 48 Prozent die Nummer eins, ohne eine absolute Mehrheit allerdings. Landesweit kommt die SPD auf rund 41 Prozent. Für den SPD-Vorsitzenden Scharping eine gute Voraussetzung, auch bei den Landtagswahlen in zwei Jahren möglicherweise eine Wende zu schaffen. Die FDP stolperte dank der von ihr durchgeboxten Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde auf 3,03 Prozent in einige Stadt- und Kreisparlamente. Landesweit dürfte die Partei Rainer Brüderles um die vier Prozent liegen. Leichte Verbesserungen konnten auch die Grünen erzielen. In den großen Städten kamen sie fast durchweg auf sechs bis zehn Prozent. Am AKW-Standort Mülheim-Kärlich verdoppelte die Partei ihre Mandate von zwei auf vier und im Kreis Birkenfeld, dem Standort der umstrittenen Urananlage Ellweiler, zieht die Partei in den Kreistag ein. In Mainz holten die „Republikaner“ rund sechs Prozent der Listenstimmen, ohne allerdings künftig im Stadtrat vertreten zu sein: Ihnen fehlten die Personenstimmen. Landesweit verfügen die REPs über ein Potential von rund vier Prozent. „Republikaner“ und DVU (die unbedeutend blieb) waren nur in wenigen Städten in Rheinhessen und in der Pfalz angetreten. In den traditionell konservativ wählenden Städten und Gemeinden an der Mosel und in der Eifel sogen die Freien Wählergemeinschaften das Protestpotential aus unzufriedenen CDU-Wählern ein. Stellenweise gingen die Wähler überraschend aber auch direkt zur SPD. In einer ersten Stellungnahme zum Wahlausgang zeigte sich Innenminister Rudi Geil (CDU) „erschüttert über das äußerst schlechte“ Abschneiden seiner Partei. Er habe „kein Verständnis für das Ergebnis“, meinte er. Für CDU-Chef Wilhelm dürfte das Wahldebakel dennoch eine positive Seite haben. Der blasse Ministerpräsident Carl -Ludwig Wagner dürfte mit diesem Ergebnis ein Stück weiter ins Abseits gerückt sein.

Hans Thomas