Ein Denkzettel für Maggie

Und sie ist doch nicht unschlagbar, die eisene Herrscherin Britannias. Während die Labour Party mit 40 Prozent ihr bestes Wahlresultat seit 20 Jahren feierte, schnitten die regierenden Konservativen unter Margaret Thatcher mit unter 35 Prozent schlechter ab als je zuvor in diesem Jahrhundert. Mit einem Stimmen-„Swing“ von rund 10 Prozent zu ihren Gunsten ist es Labour gelungen, den Konservativen 12 Europawahlkreise abzunehmen.

Doch die eigentliche Sensation wird im Straßburger Parlament gar nicht zu Buche schlagen. Wie Phönix aus der Giftmülldeponie stieg die Green Party auf einen Stimmenanteil von 15 Prozent auf, um dann - aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechts - als Protestpartei ohne Abgeordnete irgendwo in die verseuchte Nordsee zu stürzen.

In der konservativen Partei hatte die Suche nach dem oder der Schuldigen für das Euro-Debakel bereits nach dem Schließen der Lokale - die Wahlen fanden in Großbritannien schon am Donnerstag statt - begonnen, als ein sogenannter „Exit Poll“ - eine Befragung von Wählern, die gerade aus der Kabine kommen - die Dimension der Niederlage andeutete. Nervösgewordene Europarlamentarier der Tories sowie Ex -Premier Edward Heath machen vor allem den negativen Wahlkampf und Frau Thatchers chauvinistisch-antieuropäische Haltung für die Niederlage verantwortlich. Köpfe, wie der des Parteivorsitzenden Peter Brooke, werden mit Sicherheit rollen, auch wenn derzeit noch unklar ist, wie drastisch das für Juli erwartete Kabinettsrevirement ausfallen wird.

Um die Probleme der Regierung bei den Wurzeln zu fassen, so geben selbst Konservative hinter vorgehaltener Hand zu, müßte sich die Regierungschefin eigentlich selber in den vorzeitigen Ruhestand versetzen. Sind doch sämtliche Negativpunkte im angeschlagenen Image der Partei eng mit der Person der Premierministerin verbunden: die gespaltene Haltung der Partei zur EG, die angesichts der steigenden Inflationsrate hilflose Hochzinspolitik, die drastische Sparpolitik im Gesundheitswesen und das ewige Gezänk mit ihrem Nachbarn in der Downing Street Nr.11, Schatzkanzler Nigel Lawson, der im Gegensatz zu seiner Chefin das britische Pfund schon seit langem in das Europäische Währungssystem manövrieren will.

Die Labour Party feierte in der Nacht zum Montag unterdessen den in dieser Höhe unerwarteten Sieg und die Tatsache, daß ihr unlängst vollzogener programmatischer Wandel hin zur Sozialdemokratie die Partei für viele Briten wieder zu einer Alternative hat werden lassen.

Labour profitierte allerdings von der bei Europawahlen in Großbritannien traditionell niedrigen Wahlbeteiligung von diesmal 38 Prozent, die den Konservativen als Regierungspartei überproportional geschadet haben dürfte. Parteichef Neil Kinnock gab sich am Montag dennoch optmimistisch, daß bei britischen Parlamentswahlen viele der zwei Millionen Grünenwähler zur Labour Party wechseln werden. So könnte die Verdrängung der Parteien der Mitte der bei diesen Europawahlen weit abgeschlagenen liberalen „Democrats“ und der Sozialdemokraten - durch die Grünen ironischerweise die Rückkehr des traditionellen Zweiparteiensystems bringen.

Rolf Paasch (London)