Nazi-Postkarten in Bremen gedruckt

■ Staatsanwalt durchsucht renommierte Bremer Druckerei Girzig / Verfahren eingestellt: „Für Sammler“ im Ausland ist alles erlaubt

Seit dem vergangenen Freitag liegt in der Druckerei Girzig&Gottschalk in Hemelingen ein besonderer Druckauftrag: Unter dem Absender „Firma Mustermann“, offensichtlich fingiert, in „9999 Übungsort“, offensichtlich fingiert, bestellte jemand 72.000 Fünffarb-Postkarten. „Den Verschnitt + Vorlauf sofort vernichten“, hat die Chefetage handschriftlich auf dem Be

triebsbogen vermerkt, Auftragsnummer - Fehlanzeige. Bei den „Postkarten“ handelt es sich um alte Nazi-Symbole, bis auf Ausnahmen haben alle deutlich ein Hakenkreuz: Adolf Hitler als strahlend junger Mann mit Hakenkreuz auf dem Hemdsärmel, „Der ewige Jude“, der Reichsadler auf einem Hakenkreuz sitzend, das Führer-Gesicht vor einer großdeutschen Landkarte

24 eindeutige Motive auf einem großen Druckbogen.

So normal, wie die Geschäftsführung von Girtzig&Gottschalk diesen Auftrag fand und für ein paar tausend Mark annahm, fand ihn der Betriebsrat nicht. Aber Proteste bewirkten nichts - das sei „ein ganz normaler Auftrag“, ist die Ansicht des Mitgesellschafters von der Wehl, und die Postklarten seien für Sammler gedacht. Mit Jaguar (Kennzeichen: „PV“) kam der Auftraggeber alias „Mustermann“ am Montag nachmittag und befand die ungeschnittenen Produkte für gelungen.

Ganz so normal, wie er begonnen hatte, sollte der Auftrag aber nicht durchgehen. Schon in der Firma Rüdiger&Doepner schräg gegenüber von Girzig, wo die Lithografien gemacht worden waren, hatte es innerbetriebliches Aufsehen gegeben. Aufgrund eines anonymen Hinweises, den die taz an die Staatsanwaltschaft weitergab, konnte gestern morgen im Morgengrauen der Staatsanwalt von Bock mit einer Gruppe von Kripo-Beamten die Nazi-Postkarten bewundern: VierPaletten standen in der Nähe der Eingangstür, unauffällig die noch weiße Rückseite nach oben gekehrt.

Der Name „Mustermann“, so wird ihm erklärt, sei auf den Betriebsbogen gedruckt, weil „noch keine Rechnungsadresse“ bekannt sei - der Computer druckt automatisch „Mustermann“. Der Vermerk „Verschnitt und Vorlauf sofort vernichten“ sei zwar

unüblich, entspreche aber einer Bitte des Auftraggebers, der zufällige Geschäfte mit dem Andruck der wertvollen Postkarten verhindert wissen wollte. Und das sei für ihn „keine Propaganda“. Außerdem sei der Auftraggeber keineswegs anonym, sondern der Inhaber einer schweizerischen Briefmarken-Reprint-Firma, der in Bremen seinen Wohnsitz habe. Da der Firmenchef Girzig selber Briefmarkensammler ist, hatte ihn der Auftraggeber „Mustermann“ mit einem Bogen seiner falschen Kost

barkeiten, u.a. mit der „Blauen Mauritius“, freundlich gestimmt.

Der Betriebsrat war von der unerwarteten Schützenhilfe der Staatsanwaltschaft völlig überrascht - die Gewerkschaft hatte er von dem Fall noch gar nicht informiert.

Da der Auftraggeber der Staatsanwaltschaft bekannt war, durchsuchte die Kripo gleichzeitig dessen Privatwohnung ohne Hinweise auf rechtsradikale Kontakte zu finden. Und die Behauptung, die „Symbole ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen“, so die Formulierung aus dem Strafgesetzbuch -Paragrafen 86, nur für den Vertrieb im Ausland in Auftrag gegeben zu haben. Und dies ist nicht strafbar. Der Staatsanwalt stellte das Verfahren so gestern vormittag noch ein, die Paletten mit den Nazi-Postkarten konnten in der Druckerei liegen bleiben.

Mit dem Wahlerfolg rechtsradikaler Gruppierungen hat die Druckerei Girzig& Gottschalk in Hemelingen nichts zu tun, sie druckt alles, was die Maschinen hergeben, auch bremische Gesetzesblätter und Reklame für allerlei gut beleumundete Firmen. Vor kurzem wurde eine moderne Vierfarb-Maschine angeschafft, und seitdem müssen die Beschäftigten, wenn die Aufträge es hergeben, in 2x12 Stunden-Schichten rund um die Uhr arbeiten. Und wenn das für das Firmenwohl gut ist, dann werden auch Nazi-Postkaten „normal“.

K.W.