Keine Alliierten in die DDR

■ Umgehende Antwort auf Proteste gegen Festnahme eines DDR-Bürgers auf Westberliner Gebiet verlangt / Seit Februar vergebliche Bemühungen um Freilassung eines Flüchtlings aus DDR-Haft

Die drei westlichen Alliierten ziehen in Betracht, in Zukunft Reisen in die DDR abzusagen, wenn Ost-Berlin nicht umgehend auf Proteste der drei Westmächte antwortet. Grund dafür ist die Festnahme eines jungen DDR-Bürgers, der bei seiner Flucht durch die Spree am 14. Februar bereits West -Berlin erreicht hatte und dann von DDR-Grenzern zurückgezerrt worden war. Alliierte Kreise nannten dieses Vorgehen am Dienstag in Berlin einen „einzigartigen Fall“, da die DDR-Polizisten den Mann geradezu von Westberliner Gebiet gekidnappt hätten. Die Spree gehört allerdings in ganzer Breite zur DDR.

Mit einem seit Jahren unvergleichlichen diplomatischen Engagement versuchen seitdem England, Frankreich, die USA und zuletzt die Europäische Gemeinschaft, die Freilassung des jungen Mannes zu erreichen - bisher jedoch ohne jeden Erfolg. Die vergeblichen Bemühungen der Alliierten haben inzwischen nach Auskunft alliierter Kreise zu einer handfesten Verstimmung mit der DDR geführt. Die Antwort der DDR, das Grenzregime unterliege nationaler Souveränität, sei „unannehmbar“.

Der 31 Jahre alte Martin Notev hatte am 14. Februar gemeinsam mit zwei Nachbarjungen mit einem Lastwagen die Sperranlagen an der Grenze durchbrochen und war dann im Surfanzug in den Fluß gesprungen. Den beiden anderen jungen Männern gelang die Flucht. Notev wollte sich gerade an der Kaimauer hochziehen, als ein Patrouillenboot ihn erreichte und Grenzer ihn an den Haaren zurückzerrten. Dabei setzte ein Grenzer seinen Fuß auf Westberliner Ufer. Notev wurde Ende April in Ost-Berlin zu vier Jahren Haft und 40.000 Mark Strafe wegen der Beschädigung von Volkseigentum verurteilt.

Dem Vernehmen nach soll der Regierende Bürgermeister Momper bei seinem jüngsten Besuch in Ost-Berlin den Fall des Mannes angesprochen haben. Auf einer Liste mit den Namen ausreisewilliger DDR-Bürger, die Momper Honecker übergab, stand auch der von Martin Notev.

ap