Folter bleibt ohne Konsequenz

■ Menschrechtsausschuß des Bundestages beschäft sich mit der Situation in der Türkei / Bundesdeutsche Türkeipolitik wurde nicht in Frage gestellt / Vorwürfe von ai über Folter werden heruntergespielt

Berlin (taz) - Ohne die bundesdeutsche Politik gegenüber der Türkei einer kritischen Würdigung zu unterziehen, ging am Wochenanfang im Unterauschuß des Bundestages für Menschenrechte und humanitäre Fragen ein Hearing zur Türkei über die Bühne. Anlaß für das Hearing war ein Antrag der SPD im Bundestag, eine Entschließung zur Menschenrechtssituation in der Türkei zu verabschieden, mit der die türkische Regierung aufgefordert wird, ihren Versprechungen zur Demokratisierung endlich nachzukommen. Vor der Bundestagsdebatte wollte der Ausschuß sich nun durch Sachverständige über die Situation in der Türkei informieren. Dabei ging es vor allem um die von amnesty international noch einmal nachdrücklich vorgebrachten Vorwürfe über systematische Folter an Gefangenen vor allem in Polizeihaft, über Menschenrechtsverletzungen und der Situation der Minderheiten in der Türkei. Bereits im Vorfeld des Hearings protestierte die türkische Regierung in Bonn, da sie die Anhörung als eine „unfreundliche Einmischung“ in ihre inneren Angelegenheiten betrachtet.

Vor allem die Sachverständigen Frau Dr.Tellenbach (Max -Planck-Institut) und Dr.Franz (Deutsches Orientinstitut) lagen ganz auf der Linie der türkischen Regierung und versuchten die Vorwürfe des ai-Vertreters Helmut Oberdieck zu relativieren und die türkische Repressionspraxis zu rechtfertigen. Nach Ansicht von Dr.Franz hat das Land legitime außen-und innenpolitische Sicherheitsinteressen, die unter anderem auch die militärischen Pressionen gegen die Kurden rechtfertigen. Die Zweifel an der kurdischen Loyalität gegenüber dem türkischen Staat, so Franz, seien historisch gerechtfertigt. Im übrigen würde die Kurdenfrage im Ausland aufgebauscht und für eigene Interessen instrumentalisiert, so z.B. für die Ablehnende Haltung gegenüber einem türkischen EG-Beitritt.

Unterstützung erhielt der ai-Vertreter dagegen von den Völkerechtlern B.Tanor aus Istanbul und Christian Tomuschat aus Bonn, die beide bestätigten, daß die durch die Militärs 1983 eingeführte autoritäre Verfassung den Menschrechten einen geringen Stellenwert einräumt, und daß die 15tägige Isolation nach einer Festnahme immer wieder zu Folter in Polizeihaft führe.

Angelika Beer (Grüne) beklagte im Anschluß an das Hearing, daß die Mehrheit im Auschuß keinerlei Bereitschaft zeigte, die deutsch-türkische Zusammenarbeit im Militär- und Polizeibereich kritisch zu hinterfragen. Im übrigen sei insbesondere die Kurdenfrage nicht im notwendigen Umfang zur Sprache gekommen. Beer kündigte an, daß die Grünen beantragen werden, eine Delegation des Ausschusses in die Türkei zu schicken, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

JG