: „In Bayern resignieren Asylbewerber“
■ Der bayerische SPD-Vorsitzende Schöfberger wirft den Behörden des Freistaats Bayern vor, sie schikanierten Asylbewerber, um sie in andere Bundesländer zu vertreiben / Statt wie vorgesehen 17,4 Prozent der AsylbewerberInnen leben in Bayern nur 11,35 Prozent
Berlin (taz) - In Bayern werden Asylantragsteller durch flankierende Maßnahmen zum Asylverfahrensgesetz und gezielte Verunsicherung systematisch vertrieben. Obwohl der Freistaat nach den Aufnahmequoten 17,4 Prozent der AsylbewerberInnen in der Bundesrepublik aufnehmen müßte, leben tatsächlich nur 11,35 Prozent im CSU-regierten Bundesland. „In Bayern resigniert ein Asylbewerber“, urteilte Rudi Schöfberger, Vorsitzender der bayerischen SPD, als er gestern in Bonn einen 30seitigen Recherchebericht über die sozialen Probleme der Flüchtlinge in Bayern vorstellte.
Viele Flüchtlinge in Bayern fliehen ein zweites Mal - in ein anderes Bundesland. Im Freistaat wird der Sozialhilfesatz um 15 Prozent gekürzt und zudem nicht als Bargeld, sondern als Sachleistungen ausgezahlt. Die regelmäßige Begründung: Der Asylantragsteller stamme aus einem Land, von dem allgemein bekannt ist, daß der durchschnittliche Lebensstandard niedriger ist als in der Bundesrepublik. Dazu kommt die katastrophale Unterbringung der Flüchtlinge im Sammellager, in dem sie auch dem Zwang einer Gemeinschaftsverpflegung unterworfen sind. Sie läuft in der Regel den früheren Ernährungsgewohnheiten völlig zuwider.
Auf den psychischen und physischen Druck - so Schöfberger reagieren die Flüchtlinge nicht nur individuell mit Hungerstreiks und Selbstmordversuchen. Viele suchen „ihr Heil in der Binnenflucht“.
Statistisches Material zur „internen Fluchtbewegung“ in der Bundesrepublik ist rar, bei einer kleinen Anfrage hat die Bundesregierung das Phänomen schlichtweg geleugnet. Für den SPD-Mann hat die Weigerung System, denn nach den Bestimmungen des Ausländergesetzes wäre die Bonner Regierung verpflichtet, dann einzuschreiten, wenn ein Bundesland seine Aufnahmequoten nicht erfüllt. Konkretere Zahlen gibt es bislang nur aus den Ermittlungen einer Arbeitsgruppe im Innenministerium in Nordrhein-Westfalen. Danach liegt die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge an Rhein und Ruhr um etwa 25 Prozent über den offiziell angegebenen 15.500.
Bayern erweise sich als „Vorbild der Unmenschlichkeit“, sagte ein wütender SPD-Chef, der Freistaat vertreibe bewußt die Flüchtlinge und spare damit Sozialhilfekosten ein. Darüber hinaus listete Schöfberger für den Süden der Bundesrepublik eine Vielzahl „schikanöser Einzelfälle“ auf. Im mittelfränkischen Sammellager gebe es beispielsweise für Asylbewerber weder Besteck, Geschirr oder Gläser. Und wenn Flüchtlinge dort ins Hallenbad wollten, müßten sie vorher ein Gesundheitsattest vorlegen.
wg
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