Realistisch wie im Kabarett

■ Der bayerische Kabarettist Günter Grünwald im Angestelltenkammer-Kultursaal

Fünfzehn Prozent Europawahlstimmen für Franz Schönhuber kommen aus Bayern und Maria Peschek, Siegi Zimmerschied, Lisa Fitz, Bruno Jonas und Gerhard Polt, eine Reihe urig -sinistrer kabarettistischer EinzeltäterInnen, die immer noch wächst. Georg Ringswandl mit seinem Musikkabarett gehört dazu und nun auch Günter Grünwald, der am Dienstagabend im Kultursaal der Angestelltenkammer sein Programm „Hart an der Schmerzgrenze“ vorzeigte. Einen Zusammenhang gibt es da zwischen beiden Phänomenen, irgendetwas, mir deutlich aber befrifflich unbegreiflich, das mit der so selbstverständlichen, wie volkstumsurig versteckten Alltagsbrutalität zusammenhängen muß, aus der diese KabarettistInnen ihre eindrücklichsten Figuren nehmen. So ist das bei Polts protz-ver

druckstem Mantafahrer, der irgendwo da unten in Jugoslawien so nebenbei ein Kind überfahren hat, und so ist das bei dessen etwas jüngerer Ausgabe, mit der Grünwald sein Programm beginnt. Grünwalds Bayern-Brutalos sind ein bißchen mehr gradraus als Polts verdruckste Figuren. Und dann kriegen wir von dem Verschnitt diese ganze englisch kauderwelschende Neu-Urigkeit serviert, als „super“ was nicht „Wahnsinn“ ist, vom „Hamburger loyal„-Fraß bei McDonalds bis „special-tour“ für die Weiber, („da machst du einen auf senibel“) im „Don Johnson“, zur „Goasn-Time“.

Manche Pointen sitzen nicht, manche sind billig, die erste Musikeinlage, bei der nur schlechtes Akkordgedumpf schon komisch sein soll, geht daneben, der Saal, der Volkshochschul-Klima at

met, ist auch kein direkt brodelndes Ambiente für Kabarett. Grünwald macht noch zu viel zu schnell, aber ein „Superwahnsinns-Kabarettist“ steckt in dem.

Am supersten ist der Wachmeister, als Beamter per se rechtschaffen, ein Staatsterrorist, der seine Einsatzfahrzeuge ausschickt, damit sie original Hendelmaier -Senf und anständiges zum Essen holen, seine Frau macht Diät. Die mit der Orangenhaut, wissen Sie, und er schüttelt ihnen die fette Lache, „was haben wir schon gelacht mit derer Frau.“ Die Figur ist so krauslich, daß wir alle das Lachen vergaßen, bzw. erst dann wiederfanden, als draußen ein Martinshorn der Bremer Polizei um die Ecke heulte und Grünwald die Kollegen grüßte, „die schon im Einsatz“ seien, das ist so realistisch, das gibt es nur im Kabarett.

Uta Stolle