: Gesamtbuch nebenan
■ „steintor„-Verlag stellt Dependance(-reihe) vor
Neuerdings ist Berlin eine Art Bremer Zweigstelle zumindest, was das Hervorbringen von Büchern betrifft. Der Begriff Dependance klingt natürlich belesener. Und so firmiert die neue Buchreihe des bremensischen „steintor:„ -Verlags - zusammen mit dem Berliner Lektor (und Finanzier) Thomas Streicher - denn auch unter dem Titel „steintor: dependance“, wobei die architektonische Metaphorik tragen soll wie ein solides Fundament. Daß der Bremer Verlag nun über den Tellerrand in's bundesweite Themenvorkommen schaut, war schon vor viereinhalb Jahren bei der Verlagsgründung beabsichtigt, versichert Hermann Pölking, der Verleger.
Zusammen mit seinem Berliner Kollegenverleger hat er die neue Reihe konzipiert, weil im „steintor:„-Verlag nur Platz war für Industrie- und Wohnweltgeschichte von unten, aber keiner für breitpublikums- und „persönlichkeitsbezogene“ Gefühlshistorie von oben. Entstanden sind zunächst zwei Titel: „Herzstiche - Beiträge, Erzählungen und Bilder aus dem Gefühlsdschungel Schule“ (Bohnerwachs, Versagen und Lehrerschülerliebe), und „Teils brüderlich“, Brudergeschichten, Bruderbegriffe, Bruderbeziehungen; also Bruderdschungel. Es tauchen auf verschiedene Gebrüder: die Grimms, die adidaspumas, die Bee Gees, die zur Sonne, die
neuen, die alten, die eigenen, die Brüder-im-Cowboy. Im Herbst sollen Schwestern folgen (ein „Selbstläufer“, prognostizieren die beiden, weil „Frauen mehr lesen“ und „problemorientierter“ seien). Der in Berlin lebende Thomas Streicher, der einfach nicht nach Bremen umziehen will, obwohl er hier schon wohnte, hat sich was vorgenommen: Zielgruppen, Aspekte, Interessenlagen, gesellschaftliche Relevanzen und Ambivalenzen. Kurz: eher komplex als trivial, essayistisch als banal, augenblicksreich als ambitionsarm soll's sein. Und ohne Schutzumschlag, sondern als Schulbuchhardware. Der Zeitgeist habe sich zum Aufwendigen entwickelt, meint Pölking, der gerne „mit dem Begriff operatives Lesen operiert“. Das Buch zum Anfassen. Und keine „fragwürdige Alchimie von Erfolg und Fassade“. Kein Ex - und-Hopp und nicht auf der Wiese zu lesen.
Die Auflage beträgt jeweils 2500 und wird ihre KäuferInnen finden. Schließlich sind 50% der Buchkäufer LehrerInnen, für die die „Herzstiche“ auch gemacht worden sind. Die sichere Absatzgruppe ist zwar noch kein Grund für ein gutes Buch, aber irgendwie muß ja „an die Leute ran“ gekommen werden. Claudia Kohlhas
„Herzstiche“ und „Teils brüderlich“, Verlag steintor:, je DM 29.80
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