Per Kabel mehr erleben

■ Relegation: Frankfurts gute Chancen nach 2:0 gegen Saarbrücken

Frankfurt (taz) - Es gab Zeiten im deutschen Fußball, da bestimmte noch ein Herr in Schwarz den Beginn und das Ende eines Spiels. Ein schriller Pfeifton signalisierte den Balltretern, daß sie nun 90 Minuten einer Lederkugel hinterherzurennen haben. War das Interesse an einem solchen Spektakel übermäßig groß, wartete der Referee schon einmal fünf Minuten ab, bevor er zum Anpfiff blies.

Im Frankfurter Waldstadion wurde Schiedsrichter Wiesel, der das Relegationsspiel des einheimischen Noch-Bundesligisten Eintracht Frankfurt und des Zweitliga-Gastes aus Saarbrücken zu leiten hatte, gerade dieser seiner wichtigsten Funktion enthoben. Den Zeitpunkt des Spielstartes bestimmte nicht etwa er selbst als vielmehr ein „Sheriff wider Willen“. Eine lustige Western-Kömodie war es nämlich , die die Fernsehzuschauer des privaten Kanals Sat 1 pünktlich um 21.30 Uhr zum Schmunzeln anregen sollte. Und gerade deshalb mußte auch das von Sat 1 gekaufte Relegationsspiel auf die Sekunde genau seinen Anfang nehmen. Die vor den Eintrittskassen wartenden Fans durften keine Rücksicht erhoffen.

Endlich, 10 Minuten nach Spielbeginn auf den Stehplätzen angelangt, verging den Zuschauern ohnehin der letzte Rest der Vorfreude. Die rüde Spielweise der beiden Teams veranlaßte Schiedsrichter Wiesel denn auch, seine letzte Autoritätskarte auszuspielen. Nicht weniger als fünfmal griff Wiesel in seine Brusttasche, um den Spielern eine Verwarnung in gelb zu zeigen.

War das Gebolze auf Zweitliga-Niveau nicht gerade durch einen Pfiff unterbrochen, so ließ Eintracht Frankfurt zumindest in Ansätzen erkennen, daß es dem spielerischen Gehalt der „besten Liga der Welt“ näher kommt als die Saarländer. Zwar endeten die wenigen Angriffe der Hessen vor dem Halbzeitpfiff meistens vor den Werbebanden („Kabelfernsehen - mehr erleben“), doch dem eifrigen Frankfurter Jörn Andersen war es schließlich vergönnt, den Ball in der 26. Minute im Fluge und per Kopf in die fremden Maschen einzunicken. Da kam unter den 37.000 Fans endlich Stimmung auf, es wurde artig nachgesungen, was die Anzeigetafel vorschrieb: Let's go , Eintracht.

Ein Name fand seinen Platz auf fast jeder Multi-Media -Einblendung: Charly. Gemeint ist Karl-Heinz Körbel, Spielführer des Metropolen-Teams aus Frankfurt. Der letze lokale Held der Frankfurter Arbeiterklasse ist zum Star wider Willen geworden. Seinem Kampfgeist und Torriecher hatten es die übrigen zehn Großverdiener im Eintracht-Team überhaupt zu verdanken, daß die zusammengekaufte Truppe um Eckstein, Stein und Gründel den drittletzten Platz erreichte. Der treue Charly nahm aber wohl die Devise der Anzeigentafel (Let's go, Charly) zu genau und handelte sich prompt eine gelbe Karte ein.

In der zweiten Spielhälfte präsentierten Charlies Mannen und die Saarländer wieder das gewohnte Bild. Entweder krümmten sich die Spieler nach Fouls auf dem Rasen, oder sie schossen die Kugel planlos in die gegnerische Hälfte. Einen solchen Ball bekam plötzlich nach einer Stunde Spielzeit der Frankfurter Libero Manfred Binz auf seinen Schuh und schob die Kugel eiligst an dem Saarbrückner Torwart Wahlen vorbei.

Nun hatten die Frankfurter ihren zwei-Tore-Vorsprung endlich erreicht. Für das sonntägliche Rückspiel in Saarbrücken soll dieser ausreichen, verspricht Frankfurts Trainer Berger. Saarbrückens Coach Schlappner hofft wie immer auf die Wende. Das überharte Einsteigen der Mannschaft führt er auf Tolpatschigkeit zurück. Meine Nachbarin, eine Sekretärin von Deutschlands größtem Sportmagazin, brachte es auf den Punkt: „Frankfurt spielte schlecht, Saarbrücken noch schlechter.“

Torsten Haselbauer