IWF-Tagung: „Irgend etwas ist geplant“

Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion: US-Gruppen in Washington arbeiten lieber lautlos / Proteste wie in Berlin sind nicht zu erwarten  ■  Von Ulli Kulke

Wer sich daran erinnert, welch lautstarke Kampagne im letzten Jahr um diese Zeit bereits gegen die Herbsttagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Berlin im gange war, der konnte nur staunen. Da war in der vergangenen Woche der Vertreter der äußerst einflußreichen US-Umweltgruppe Environmental Defense Fund (EDF) nach Bonn gereist, um an einem öffentlichen Fachgespräch mit den Grünen im Bundestag teilzunehmen. Titel der Veranstaltung: „Erfahrungen und Perspektiven der kritischen Auseinandersetzung mit Weltbank, IWF und anderen multilateralen Banken.“ Aber was hatte EDF-Mann Bruce Rich zu berichten über die oppositionelle Vorbereitung auf die diesjährige Tagung der Hochfinanz in Washington? „Irgend etwas“ sei geplant an Gegenveranstaltungen, aber er wisse es nicht so genau. Wer von den anwesenden bundesdeutschen Öko und Drittweltgruppen Details wissen wolle, möge sich doch an seine Kollegin wenden: „Sie hat dieselbe Telefonnummer wie ich in Washington.“

Bruce Rich, sein EDF, ja alle einschlägigen US-Gruppen wie auch der Worldwide Fund (WWF, ehemals World Wildlife Fund) und wie sie alle heißen - sie haben keinerlei Interesse an Spektakeln wie im vergangenen Jahr in Berlin. Die US -Umweltgruppen arbeiten lieber im Stillen - wenn auch nicht unbedingt mit weniger Erfolg.

Der EDF-Vertreter ist zweifelsfrei einer derjenigen, der durch seine Verbandsarbeit Entscheidendes dazu beigetragen hat, daß die Weltbank im Frühjahr ihren zweiten Energiesektorkredit an Brasilien stoppte. Dadurch ist ein entscheidender Teil des gigantischsten Staudammprojektes aller Zeiten auf Eis gelegt. Rich nahm kein Blatt vor den Mund: Während die hiesige Oppositionsbewegung in Europa „theoretisch und fundamental über ökonomische Grundsätze“ ventiliere („wie eine Mormonendiskussion, es kommt immer darauf an, sich zum Guten zu bekennen“), stellte er die Arbeitsweise der US-Gruppen dagegen.

Im US-Kongreß als potentestem Weltbank-Geldgeber herrsche ohnehin ein latenter Zweifel vor, ob das Kreditinstitut die kostbaren Gelder auch sinnvoll verwende. Diese Skepsis gelte es auszunutzen; die Umweltgruppen hätten daher beispielsweise ein Gesetz im Washingtoner Parlament mitinitiiert, das die Zustimmung zu Weltbank-Projekten von größerer Informationsbereitschaft der Bank gegenüber den ParlamentarierInnen abhängig macht. Die neue Bestimmung habe sich denn auch bereits in entsprechenden Vorstößen von US -Finanzminister Nicholas Brady bei Weltbank-Präsident Barber Conable niedergeschlagen.

Darüber hinaus wertete Rich auch die Einstellung zusätzlicher Umweltexperten in der Weltbank und die Einrichtung einer entsprechenden Abteilung als Erfolg. Auch dadurch werde es nun leichter, über Alternativen zu den bisherigen Projektplanungen zu diskutieren.

Barbara Unmüßig, Weltbankreferentin der Bundestagsfraktion, machte in ihrem Statement deutlich, daß es den Grünen nicht nur darum gehe, die Unterschiede zwischen den US-Gruppen und der bundesdeutschen Anti-IWF- und -Weltbankkampagne aufzuzeigen. Die Veranstaltung sei vielmehr ein Versuch, die Differenzen der beiden Linien in der bundesdeutschen Kampagne näher auszumachen.

Da sei zum einen die Drittweltbewegung, die - dezentral organisiert und historisch außer- bzw. antiparlamentarisch entstanden - vor allem über öffentliche Meinungsbildung und Kampagnen arbeite. Sie laufe einerseits Gefahr, „sich wegen mangelnder Professionalität nicht ausreichend politisches Gehör zu verschaffen oder gerade in internationalen Kampagnen provinziell zu werden“. Andererseits habe gerade die dezentrale Struktur dieser Bewegung beispielsweise der Kampagne gegen den zweiten Energiesektorkredit in der Bundesrepublik erst die nötige Breite verschafft. Die andere Schiene sei die hiesige „Umweltbewegung für eine soziale und umweltverträgliche Entwicklung in der Dritten Welt“, die Erfolge auf ihre Art vorweisen könne. Unmüßig: „Nicht vom Dachverband der entwicklungspolitischen Gruppen (Buko) gingen die erfolgreichen Kampagnen gegen die aus bundesdeutschen Haushaltsmitteln finanzierte Hotelenklave an der türkischen Küste aus, sondern von bundesdeutschen Arten und Naturschützern. Während sich Teile der Dritte-Welt -Bewegung im wesentlichen auf eine - meist folgenlose radikale Kritik der offiziellen Entwicklungspolitik beschränken, sehen die Umweltorganisationen neben der Öffentlichkeitsarbeit auch in der Lobbyarbeit Chancen, entwicklungspolitische Änderungen zu erreichen.“

Die eher lautlose Politik der US-Umweltgruppen gegenüber der Weltbank - bilaterales Gespräch mit Weltbank -Mitarbeitern, Versuch von Gesetzesinitiativen im US -Kongreß, klassische „Lobby-Arbeit“, die im US -amerikanischen Parlamentarismus historisch verwurzelt ist einerseits, sowie die bemüht lautstark angelegte Berliner Kampagne vom vergangenen Jahr andererseits: Die Unterschiede zwischen beiden Strängen laufen auch quer durch die bundesdeutsche Bewegung. Sie waren ablesbar an den immerhin drei teilweise parallel laufenden Gegenkongressen in Berlin 1988. Es war ein verdienstvolles Unterfangen der Grünen, diese Differenzen im Vorfeld der diesjährigen Herbsttagung näher zu beleuchten. Konsequenzen hinsichtlich einer einheitlichen, starken und öffentlichkeitswirksamen Protestbewegung für Washington 1989 sollte sich indes niemand erhoffen.