Hilfe für China

Für eine Unterstützung der demokratischen Bewegung in China von außen  ■ K O M M E N T A R E

Nach ungezählten Exekutionen in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni und danach sind in Schanghai und Peking in dieser Woche die ersten Teilnehmer der demokratischen Maibewegung in China auf Grund eines „ordentlichen“ Gerichtsurteils hingerichtet worden. Der Schrecken hat sich nun vollends das Gewand der Legalität angezogen und wird um so systematischer wüten.

Die westliche Öffentlichkeit stellt wie schon oft fest, daß internationaler Druck und Appelle die Kriegsrechtsherren in Peking ebensowenig beeindrucken wie die Aussicht, daß sie mit ihrer Blut- und Angstorgie die kulturelle Entwicklung des Landes, aber auch die Wirtschaft erneut auf Jahre lähmen und zurückwerfen.

Die Debatte über die internationale Reaktion auf den Staatsterrorismus in China ist angesichts der verzweifelten Lage hilflos und verworren. Die westlichen Regierungen sagen Ministerbesuche ab und stellen Entwicklungshilfekredite ein, sogar Japan. Das ist das Mindeste. In der demokratischen Öffentlichkeit wird der Ruf nach Abbruch aller Beziehungen, Tourismus- und Wirtschaftsboykott laut. Nur zu verständlich. Wer kann sich an den Schätzen der alten Kultur unbefangen erfreuen, nachdem die Bedeutung des roten Anstrichs auf den Mauern um die Verbotene Stadt frisch in Erinnerung gerufen wurde.

Daß Emotionen die Reaktionen bestimmen, ist gut, denn das ist hoffentlich eine Gewähr dafür, daß die Unterstützung für die demokratische Bewegung in China und für die Chinesen im Ausland nicht so schnell nachläßt.

Die Arbeit von Organisationen wie amnesty international ist jetzt noch wichtiger als vorher, weil ai beispielsweise mit ihren Patenschaften für politische Gefangene nicht nur in der hiesigen Öffentlichkeit wirkt, sondern auch direkte Schutz- und Stützungsfunktionen im Land selbst hat.

Der Schwerpunkt der Hilfe für China muß vor allem darin liegen, die demokratische und Reformbewegung dort langfristig zu stärken. Die Forderungen nach einem totalen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Boykott Chinas speisen sich aus dem augenblicklichen Ekel und der Hoffnung, daß diesem Regime kein langes Leben gegönnt ist. „Länger als ein paar Monate können sie das nicht machen.“ Schön wär's! Solange die Bauern Reis und Soldaten liefern und die Sowjetunion oder die DDR Waffen, können sich diese Pistoleros lange halten. Man weiß auch nicht, welche Fraktion nach dem allseits ersehnten Tod von Deng die Macht ergreifen wird.

Die modernen Gedanken, Organisationsformen, Technologien, die sie selbst bei ihrer kontrollierten Reform- und Öffnungspolitik zulassen mußten, haben die Herrschaft der Veteranen unterhöhlt und zum Vernichtungsschlag veranlaßt. Eine totale Isolierung durch den Westen würde diese Betonköpfe zwar ärgern, aber letztlich nur weiter verhärten. Für die modernen Kräfte in der Wissenschaft wie in der Wirtschaft wäre der Schaden ungleich größer, wenn die Glocke der Isolation und des Terrors nun auch von außen geschlossen würde.

Um so mehr muß versucht werden, „auf der Arbeitsebene“, im wissenschaftlichen, pädagogischen, technologischen und wirtschaftlichen Austausch die Verbindungen nach China aufrechtzuerhalten und - wenn möglich - zu erweitern sowie zugleich alles zu vermeiden, was dem Kriegsrechtsregime offizielle Anerkennung verschaffte.

Jochen Noth