Die aus der Kälte kamen

■ Die Überwinterungsmannschaft der bundesdeutschen Antarktis-Station zurück im hellen Norden

Fünfzehn lange Monate waren sie auf Expedition. In einer der unwirtlichsten und nach eigenem Bekunden „schönsten“ Regionen der Welt hatten die Männer der deutschen Antarktis -Forschungsstation im norwegischen Sektor des Südpols gelebt.

Im Auftrag des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven ist die bundesdeutsche Station ganzjährig besetzt, um damit den nationalen Anspruch auf das antarktische Territorium zu reklamieren.

Daß die weltweite Konkurrenz um die letzte unerschlossene Großregion dieser Erde sich nicht im Verhältnis der einzelnen Stationen niederschlägt, berichtete Bernd Ruhnke, Arzt und Expeditionsleiter des gestern in Bremen von Senator Franke empfangenen Teams. „Da geht die Tür auf, Du denkst Du hast ne Meise“, erzählte Ruhnke über den Abend des zweiten Weihnachtsfeiertages.

Hereinspaziert kam die sowjetische Crew von „Druzhnaya 3“, mit je einem Sack Kartoffeln und Gemüse. Ein Festtagsschmaus, denn Pauli, dem Koch war zu diesem Zeitpunkt nur noch Tiefgefrorenes geblieben. So ab und zu einmal mit dem Flugzeug den nächsten Nachbarn eine Stippvisite abzustatten, das war eine ihrer schönsten Freizeit-Vergnügungen.

Nach Südafrika 220 Kilometer, zur DDR etwas weiter. „Tausend und ein paar Zerquetschte“ schätzt Ruhnke. Berührungsängste dürfen angesichts der extremen Lebensbedingungen gar nicht aufkommen.

Die sowjetische Besatzung, dank Glasnost-Gorbatschow auf die halbe Wodka-Ration gesetzt, scheute auf der Suche nach hoch

prozentiger Unterhaltung auch die südafrikanischen Vorräte nicht.

Lagerkoller, wehrten die Männer beim Empfang im Ratskeller ab, sei bei ihnen nicht aufgekommen. Mit den notwendigen Service- und Wartungsarbeiten seien sie vollauf beschäftigt gewesen. Die Meteorologen beispielsweise hatten alle drei Stunden ihre Wettermeldungen durchzugeben, die täglichen Ballonaufstiege mußten organisiert sein.

Und wer dennoch Lust auf Zerstreuung hatte, dem standen Tischtennisplatte und Sauna, ein Fitnessraum, Fotolabor und Werkstatt zur Verfügung. Am Eindrucksvollsten aber, darin

stimmten sie mit allen Polar-Heimkehrern überein, seien die grandiosen Natur-Erlebnisse gewesen.

Dafür habe es sich gelohnt, während der Mittwinterzeit, bei Temperaturen um minus 30 bis 40 Grad und Windstärken bis 150 km/h, den Fuß kaum vor die Tür setzen zu können. Ein solches Abenteuer im Dienste der Wissenschaft soll künftig auch den Frauen nicht mehr vorenthalten sein.

Die nächste deutsche Crew soll gemischt sein, wurde angekündigt. Eine kleine Revolution, bislang waren die Antarktis-Stationen strikt frauenfrei.

Andreas Hoetzel