Tourismus im „Ozonloch“

War es die letzten Jahre der wolkenverhangene, graue bundesdeutsche Himmel, so könnte es 1989 das Gegenteil sein, was die Bundesbürger in eine „bessere“ Urlaubswelt flüchten läßt. Zwei Wochen strahlender Sonnenschein haben nicht nur die Ozonwerte in Göttingen, Hannover und Osnabrück emporschnellen lassen (durch photochemische Umwandlung von Luftschadstoffen), sondern auch das Gemüt so manch eines Reiseleiters in Wallung gebracht. Die Gefahren erhöhten Ozongehalts in der (Urlaubs-)Luft sind plötzlich in aller Munde.

Machte sich sonst um diese Zeit die Vorfreude auf eine Reisesaison unter südlicher Sonne breit, ist die Stimmung momentan sehr gedämpft. Mit vollem Ernst werden Fragen wie „Wie lange darf ich mich und meine Reisegruppe schadlos der Sonne aussetzen?“ oder „Welche Kleidung ist denn nun angesagt“ (Wie wär's zum Beispiel bei Kanufahrten mit Vollsonnenschutz im Taucheranzug?) diskutiert. Auf manch einem Reiseleitergesicht breitet sich Panik aus.

Der eine oder andere Tourismusmanager leidet vielleicht an kurzfristigen Schlafstörungen. Sollten sich die angebotenen sonnigen Urlaubsträume dieser Saison als Flop erweisen? Statt zur Sonne, Touristenströme von der Sonne weg? Indien zur Monsunzeit? London im Nebel? Zwei Wochen in der Pariser Metro? Bei Sonne garantiert Geld zurück?

Die Tourismusindustrie wird einfach ein altes durch ein neues Klischee ersetzen, und die Touristen werden das freudig aufgreifen. Für ein paar Unentwegte könnten die dann verwaisten, sonnigen Landstriche schnell zu einem neuen touristischen El Dorado werden. Spezialreiseveranstalter würden hier schnell ihr Geschäft wittern - „Ozon-Trekking“ oder „Ozon-Gliding“ als touristisches Avantgarde-Programm 1990?

Yörn Kreib