„Burn, baby burn!“

■ Der US-Supreme Court entschied: Verbrennen der US-Flagge als Akt der Meinungsfreiheit nicht verbietbar

Washington (taz) - In einem wichtigen Grundsatzurteil über die Zulässigkeit politischer Meinungsäußerung hat der Supreme Court der USA am Mittwoch mit fünf zu vier Stimmen entschieden, daß das Verbrennen der US-amerikanischen Flagge als Zeichen politischen Protestes nicht verboten ist. Dies ist das erste ermutigende Urteil nach einer Reihe von Richtersprüchen in den letzten Wochen, die Befürchtungen über einen Rechtsruck des Supreme Court geweckt hatten. Zur Debatte stand die Verurteilung des jungen Mitglieds der „Revolutionary Communist League“ Gregory Lee Johnson zu einem Jahr Haft und 2.000 Dollar Geldstrafe, weil er 1984 während des Republikanischen Parteitags in Dallas / Texas eine US-Flagge dem Feuer übergeben hatte. Er nannte die Fahne ein „Symbol für internationale Plünderung“. Ein Gesetz in Texas bezeichnet die „Stars and Stripes“ hingegen als „verehrten Gegenstand“, dessen „Entweihung“ strafrechtlich verfolgt werden kann. Ein texanisches Berufungsgericht hatte die Verurteilung zwar unter Berufung auf die Meinungsfreiheit aufgehoben, doch der zuständige Staatsanwalt hatte daraufhin den Supreme Court angerufen. Politische Meinungsäußerungen werden durch den ersten Verfassungszusatz geschützt. 1969 und 1974 hatte der Oberste Gerichtshof bereits bestätigt, daß das Verbrennen der Flagge als politischer Protest zulässig ist. Die Mehrheit der Richter urteilte auch jetzt, daß die freie Meinungsäußerung höher zu bewerten sei als ein in die Flagge projizierter Patriotismus. Der von Reagan ernannte Richter Anthony Kennedy stimmte in diesem Fall mit der auf vier zusammengeschrumpften liberalen Minderheit des Gerichtshofs. Drei Urteile Kennedys der letzten beiden Wochen über den gesetzlichen Schutz von Minderheiten und Frauen vor Diskriminierung deuten darauf hin, daß der Supreme Court in den letzten zwanzig Jahren von Schwarzen und Frauen erkämpfte Bürgerrechte demontieren will.

Stefan Schaaf