Miliz packt ein - Konferenz geht weiter

Trotz Verbot des lettischen Innenministeriums wurde Ostsee-Meeting in Riga fortgesetzt / Kreisverwaltung nahm Umwelt- schützer unter ihre Fittiche / Busse und Ordnungsmacht zogen wieder ab / Lebensmittelspenden von Bauern und Fischern  ■  Aus Riga Wieland Giebel

Die Internationale Konferenz zum Schutz der Ostsee im lettischen Edole bei Riga ist trotz des Aufmarsches von Polizei und Miliz und des Verbots des lettischen Innenministeriums fortgesetzt worden. Gestern beschlossen die TeilnehmerInnen aus den skandinavischen Ländern, der DDR, der BRD, den Niederlanden und den baltischen Staaten, das Verbot zu ignorieren. Das Meeting ist die erste nichtstaatliche Konferenz von Umweltgruppen in der Sowjetunion.

Der Chef der Kreisverwaltung von Kuldega und die regionale Miliz gaben den TeilnehmerInnen inzwischen die Zusicherung, daß es am Konferenzort zu keinen weiteren Behinderungen mehr kommen werde. Die Konferenz stehe unter ihrem Schutz: Die Miliz werde nicht eingreifen, und die Verwaltung unterstütze die Ziele der UmweltaktivInnen. Busse des Innenministeriums, die die KonferenzteilnehmerInnen abholen sollten, fuhren unverrichteter Dinge wieder ab, ebenso die Milizeinheiten, die das Tagungsgebäude vorübergehend umstellt hatten. Am Freitag wurde allerdings auf eine geplante Rundreise zu den ökologisch neuralgischen Punkten Lettlands. Die Exkursion wurde abgesagt, weil die Kreisverwaltung nicht zusagen konnte, daß die Rückkehr zum Konferenzort dann noch gesichert wäre. Das Verbot der Konferenz wurde vom Innenministerium inzwischen damit begründet, daß diese Region für TouristInnen noch nicht zugängig sei. Die Kreisverwaltung dagegen hat schon mehrfach die Öffnung des wald- und seenreichen Landes für den Tourismus beantragt. Geheime militärische Projekte gebe es hier nicht, versichert sie. Hintergrund des Streits zwischen der Region und der Zentralverwaltung in Riga ist Gorbatschows neue Politik. In Riga sitzen Konservative, die der Idee der Perestroika jedes nur erdenkliche Hindernis entgegensetzen. Ihrer Politik der rauchenden Schornsteine ist diese internationale Umweltkonferenz ein Dorn im Auge. Auch die Unabhängigkeitsbestrebungen der baltischen Staaten sorgen für zusätzliche Brisanz.

Die lettischen UmweltschützerInnen beklagen vor allem das ungeheure Ausmaß des Waldsterbens im Baltikum, den sauren Regen und die Verschmutzung der Ostsee aufgrund fehlender Kläranlagen. Der Chef der Kreisverwaltung, Alexander Gudmann, wies die Schuld an der ökologischen Misere Lettlands Moskau zu. Von den Gewinnen aus den Exporten bleibe zuwenig im Land, um die Wirtschaft weiterzuentwickeln und die Landwirtschaft auf ein ökologisch sinnvolles Wirtschaften umzustellen. Neben der Kreisverwaltung steht vor allem die Bevölkerung hinter der Umweltbewegung. Die Konferenz wird mit Geldspenden der Kolchosen unterstützt, aber auch mit Lebensmittelspenden von Bauern und Fischern der Region.

Zum Abschluß dieser ersten Basiskonferenz in der UdSSR, die am Sonntag zu Ende geht, wird der Aufbau eines Netzwerkes erwartet, in dem sich alle Umweltinitiativen der Ostsee -Anrainer zusammenschließen. Von bundesdeutscher Seite sind unter anderem der Bund Natur- und Umweltschutz, die Aktionskonferenz Nordsee, Greenpeace und Robin Wood beteiligt. Zu den Widersprüchen dieser Konferenz gehört auch, daß trotz des Verbots am Donnerstag die lokale Fernsehstation in Riga über die Veranstaltung einen freundlichen Bericht brachte. Die KonferenzteilnehmerInnen gehen davon aus, daß sie bis Sonntag ungestört diskutieren können.