Bonn Apart-Betr.: Lorenz Niegel

Da hat er, besser sie, oder doch eher er, jedenfalls Durchlaucht Ferdinand von Bismarck schon die rechte Wahl getroffen: Am 17. Juni, Tag der Deutschen Einheit, heftete er auf Schloß Friedrichsruh, Sachsenwald, Landkreis Herzogtum Lauenburg, Schleswig-Holstein, die Prinz-Bismarck -Erinnerungsmedaille in Silber für vaterländische Treue und bewiesenes preußisches Staatsbewußtsein Lorenz Niegel an die Brust. Dies meldet die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Lorenz Niegel ist CSU-Abgeordneter aus dem Landkreis Lichtenfels. Noch jedenfalls. Vor einigen Tagen hat die Staatsanwaltschaft Coburg die Aufhebung seiner Immunität beantragt. Niegel soll am 28. Dezember vergangenen Jahres, möglicherweise mit viel Alkohol im Blut, einen Telefonmast und ein Verkehrsschild gerammt und Fahrerflucht begangen haben. Polizisten hatten das demolierte Fahrzeug verlassen an einer Kreisstraße in der Nähe von Lichtenfels gefunden. Der Bezirksvorstand der CSU-Oberfranken leitete im März ein Parteiordnungsverfahren gegen Niegel ein, weil dieser zu den gegen ihn laufenden Ermittlungen beharrlich schweigt. Gerade das Schweigen verdient anscheinend Silber. Es beweist nämlich, daß ein Volksvertreter, sich der Ehre des Vertretenen und der Würde des Parlaments voll bewußt, diese nicht durch ein paar allzu offene Worte in Verruf bringen will - preußisches Staatsbewußtsein eben. Ob seine Durchlaucht anschließend ein Taxi spendiert hat?

***

Auf den Einstieg kommt's an. Das hat man uns im Orientierungskurs praktischer Journalismus geradezu eingehämmert. Und den Kurs scheint auch der/die Pressesprecher/in der Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Tierschutzbundes besucht zu haben. Die letzte „Wichtige Presse-Information“ des Bundes beginnt damit, daß „bürgerkriegsähnliche Zustände in China, der Tod des greisen Ayatollah Chomeini oder der bevorstehende Besuch Michail Gorbatschows in Bonn“ die Schlagzeilen beherrschen, obwohl es auch Ereignisse gibt, „die durch ihr Eintreten für die Anerkennung und Achtung des Lebens genausoviel Aufmerksamkeit verdienen“. Gemeint ist die Forderung des Tierschutzbundes, das Tier als Sachbegriff aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu streichen.

Den zweiten Teil der Grundlektion wohl vergessen, liebe/r Kolleg/in: Zum Lesen anregend soll er sein, der Einstieg, nicht aber um den Preis von Sensationsgier und Geschmacklosigkeit.

Ferdos Forudastan