Seh'n oder Nichtseh'n

■ Zehn Jahre „NDR-Talkshow“: maulaffengeile Selbstbeweihräucherung

„Thhiiiii“ - „Uaaahhhhh“ - „Pffffpffff“ - „Hrrrrrrääähh“ „Ksssssssss“...

Die NDR-Talkshow feiert ihren zehnten Geburtstag.

Sie gilt als beliebteste Talkshow des deutschen Fernsehens.

Mit einer Einschaltquote von über zwanzig Prozent „hat sie allein in ihrem Ausstrahlungsgebiet mehr als die 'live' -Talkshow vom ZDF bundesweit“ (Lutz Wolfgramm).

Sie ist demnach der Triumph des Wollens der norddeutschen und hessischen Fernsehzuschauer.

Und weil das so ist, findet sich auch die NDR-Talkshow maulaffengeil.

Da sitzen sie, die Modderatoren, und feiern sich: mit der Public-Relation-Abteilung des NDR („die NDR-Talkshow ist spannender als der spannendste Krimi“); mit dem Lichtkünstler Walter Kußmaul, der zum Geburtstag eine Laser -Show hingedonnert hat; mit dem „Morgenpost„-Medienredakteur Henning Franke, der in seiner Zeitung lauter Jubel-Kritiken über die Talkshow hat schreiben lassen; mit Hans-Hermann Tiedje, „Bild„-Chefredakteur und Ex-Affengeiler der Talkshow; mit dem einzementiert grinsenden Postminister Schwarz-Schilling, der für neuntausend Mark eine Leitung vom Hamburger Studio nach Kiel, zum Postschiff „Kommunika“, spendiert hat, damit der Talkshow auch von Kiel aus live gratuliert werden kann. Ganz nebenbei wirbt Dieter Bub, der journalistische Grußjakob aus Kiel, für's Glasfaser-Projekt der Post, für's drahtlose Telefon, für's Karten-und für's Bildtelefon. „Aber keine Angst: Sie können auf's Knöpfchen drücken, wenn Sie nicht gesehen werden wollen.“

Gegen dies öffentlich-rechtliche CDU-Placement nimmt sich das Product-Placement geradezu rührend aus. Und weil selbst der Talkshow-Crew wohl irgendwie dunkel schwant, daß diese schmierige NDR-CDU-Umarmerei dem einen oder anderen ungut aufstoßen könnte, kläfft Schreiber Hermann den Postminister pro forma an, wieso eigentlich sein Telegramm neulich so spät befördert worden sei. Tja, grinst Schwarz-Schilling, das könne schon mal sein. Er sei ja persönlich nicht schuld daran. Neinnein, wackeln die Parteigängerköpfe am Tisch, und flugs werden die neuen Pop-Star-Briefmarken der Post in Großaufnahme hingeblättert.

Damit ist aber der Geburtstag noch lange nicht vorbei. Jetzt fängt er erst richtig an: Riegenweise toben halbnackte Mädels am Meeresstrand, die Kamera tobt sich zwischen den Beinen der Mädels aus: „Models“ wird das beschaute Fleisch genannt, und zwei „Models“ sitzen samt ihrem „Model-Macher“ am runden Tisch. Ring frei für Sauigeleien: Ob der Herr „Model-Macher“ mit Models, die ihm gut gefielen, auch mal „zum Dinner“ gehe? „Oh yes“, zwinkert Herr Casablanca, von Margarethe Schreinemakers „Casanova“ angesprochen, den anderen Herren zu: zum Dinner gehe er schon mal mit den Mädel-Models aus. Und wer nun wissen möchte, was danach im Studio los war, muß nur nach oben gucken. Ich für mein Teil schleich‘ mich mit meinem Kotzkübel in die Ecke.

Sybille Simon-Zülch