Maggy stört den Gipfelfrieden der EG

Die Spanier knüpfen nur bescheidene Erwartungen an den EG-Gipfel, der ab heute in Madrid stattfindet / Die beiden wichtigsten spanischen Ziele werden noch immer von Großbritannien blockiert  ■  Aus Madrid Antje Bauer

2.000 alarmbereite Polizisten, Gerüchte über ein drohendes ETA-Attentat, Konzertmarathons für Europa - das offizielle Madrid steckt im Gipfelfieber. Selbst der traditionelle Pressestierkampf in der Madrider Arena Las Ventas ist der EG gewidmet. Wenn sich dort am Montag abend die Toreros den Stieren stellen, wird der sozialistische Regierungschef und EG-Vorsitzende Felipe Gonzalez in der Arena des EG-Gipfels bereits die ersten Hornstöße eingesteckt haben.

Zwei Themen hatten die Spanier während ihres EG-Vorsitzes, der Ende dieses Monats ausläuft, zum Abschluß bringen wollen: die Wirtschafts- und Währungsunion und die Europäische Sozialcharta. Beide stießen auf den erbitterten Widerstand der britischen Regierungschefin Maggy Thatcher: gegen die Wirtschafts- und Währungsunion aus Furcht, die britische Regierung müsse auf einen Teil ihrer Entscheidungsbefugnisse verzichten, und gegen die Sozialcharta, weil die Eiserne Lady verhindern will, daß eine EG-Sozialcharta der unternehmerischen Freiheit erneut Grenzen setzt, nachdem sie gerade mit Erfolg die britischen Gewerkschaften niedergekämpft hat.

In ihrer Opposition zur Wirtschafts- und Währungseinheit steht die britische Regierungschefin ziemlich alleine da. Selbst ihre Konzession, sich - völlig unverbindlich - auf die erste der drei vorgesehenen Verwirklichungsphasen einzulassen, dürfte den anderen Regierungschefs als unzureichend erscheinen. Kommissionspräsident Jacques Delors verlangt eine verbindliche Festlegung bereits in der ersten Phase. In Paris hieß es am Samstag im Elysee-Palast, daß Frankreich einen offenen Konflikt mit Großbritannien in Kauf nehmen werde. So könnte die Entscheidung diesmal entgegen den Gepflogenheiten aufgrund eines Mehrheits- anstelle eines einstimmigen Votums getroffen werden.

Gar kein Glück wird Gonzalez vermutlich mit der Sozialcharta haben, die denn auch im Programm nur noch als „soziale Dimension“ auftaucht. Nicht nur Maggy Thatcher und der Europäische Unternehmerverband, sondern auch einige andere Regierungen haben sich ausdrücklich gegen eine Sozialcharta ausgesprochen, die in europäischem Rahmen Mindestlöhne und -arbeitszeiten, Urlaubsregelungen und Mitbestimmung festlegen könnte. Die 'Times‘ vom Samstag schrieb, daß das „Zugeständnis“ der Premierministerin in der ersten Streitfrage Großbritannien größeren Spielraum zur Ablehnung der Sozialcharta gebe. Wenig Chancen für Gonzalez, der die EG-Präsidentschaft im Januar mit viel Enthusiasmus und linken Themen angetreten hatte. Neben dem Scheitern der Sozialcharta mußten die Spanier die Einreisebedingungen verschärfen, um sie den anderen anzupassen. Innenminister Jose Luis Corcuera tat sich durch eine Forcierung des Aufbaus einer europäischen Polizei hervor; im Bereich der Ökologie, einem weiteren Themenschwerpunkt der Spanier, wurde zwar eine Verringerung der Chlorfluorkohlenstoffe beschlossen sowie ein Forstprogramm verabschiedet, das angepeilte Umweltschutzprojekt für den Mittelmeerraum hingegen ist noch längst nicht unterschriftsreif. Geplant sind außerdem gemeinsame Erklärungen zur Lage im Nahen Osten, zu China und zur Schuldenkrise, die weitgehend reibungslos vonstatten gehen werden.