Tauziehen um die „Bremer“ Fernseh-Millionen

■ RTL-plus und Sat1 sollen für die Bremer Fernsehfrezenz kräftig zahlen / Freie Filmszene sieht sich übergangen / Macht „Kanal 4“ Strich durch Kungelei?

Eigentlich wollte sie niemand, „die Privaten“, und seit Wochen gibt es in den Kreisen der filminteressierten Szene in Bremen nur noch ein Thema: Wieviel hunderttausend Mark wird es regnen, und wer kriegt sie?

Am Freitag ist es soweit: bis dahin müssen die Bewerber um die sechste terrestrische Frequenz, die in Bremen neben den ganz und halb öffentlich-rechtlichen Sendern ARD, ZDF, N3, 3SAT und 1-Plus ab dem 15. August zu vergeben ist, ihre Bewerbungen abgeben. Und nach dem Landesmediengesetz soll der 19köpfige „Landesmedienausschuß“ dem Bewerber für ein Vollprogramm den Vorzug ge

ben, der „örtlichen Interessenten aus dem kulturellen Bereich eine angemessene Beteiligung“ ermöglicht.

SAT1 und RTL-plus haben an dem Bremer Sendeplatz großes Interesse, können sie doch dadurch 2 Millinen potentielle Fernseh-ZuschauerInnen „terrestrisch“, d.h. per Antenne, erreichen. Da die beiden Sender derzeit mit 12 bzw. 14 Millionen erreichbarer Zuschauer Kopf an Kopf liegen, könnten weitere 2 Millionen Differenz entscheidend sein für die Preise einer Werbeminute. Als dies irgendwann 1988 ruchbar wurde und die „Privaten“ anklopften beim Rathaus, um wegen der Frequenz

vorzusprechen, da gab es weder einen „örtlichen Interessenten aus dem kulturellen Breich“ noch das Gesetz, das diese Figur zum Trumpf in der Hand der Privaten machen sollte.

Denn die Video-Szene, die sich um die Filmklasse an der Hochschule gruppiert und in der Blue-Box-Reihe regelmäßig ihre Streifen einem kleinen Kreis von Interessenten vorführt, war als Ansprechpartner für „die Privaten“ ein paar Nummern zu klein. Und das „Forschungs- und Entwicklungsinstitut Film/Fernsehen“ an der Universität war kurz davor, mangels Geld ganz in Vergessenheit zu geraten. Günter Hörmann zog es weg von Bremen.

Die Idee, aus dem Filminstitut der Uni eine leistungsfähige Einrichtung zu machen, die nicht für die Arbeiterbildung, sondern für das Fernsehen produziert, lag lange vor der Formulierung des Landesmediengesetzes: Bremen kann nicht davon träumen, eine Medienstadt zu werden, aber ein paar Millionen sollten schon herausspringen, wenn die Privaten sich um die freie Fernsehfrequenz balgen. Für das Institut wurden mit Thomas Mitscherlich und Helke Sander prominente „Geschäftsführer“ gefunden, mit

dem ausgeschiedenen Staatsrat Hans-Helmut Euler ein Manager, der über die erforderlichen Kontakte zum Rathaus und Kenntnisse im Medienbereich verfügt.

Im Frühjahr 1989 legte das Institut den Anspruch der Forschung und Archivierung ab und machte sich von der Kooperationsstelle Arbeiterkammer/Universität los, die 450.000 Mark des Wissenschafts-Etats fließen allerdings weiter. Während das Filminstitut von der Uni ins Stadtzentrum umzog, beschloß die Bürgerschaft das Landesmediengesetz mit der Formel der angemessenen Beteiligung „örtlicher Interessenten aus dem kulturellen Bereich“. Und während der Landesmedienausschuß mit seinen 19 Mitgliedern sich mühsam konstituierte, verhandelte Euler schon mit den „Privaten“ darüber, was die es sich kosten lassen würde, wenn sie das Filminstitut als „örtlichen Interessenten“ in ihrem Antrag haben wollten 1 Millionen Mark pro Jahr stand in einem Vertragsentwurf.

„Das hat seine Beliebtheit erhöht“, sagt ein Mitglied des Landesmedienausschusses sarkastisch. Der vom Parlament demokratisch gewählte Ausschuß fühlt sich nach allen Regeln der Politik

instrumentalisiert, denn schon am 15. August muß entschieden sein, welcher „Private“ senden darf. Und was soll das kompliziert zusammengesetzte Gremium in sechs Wochen Sommerferien anderes tun als die informellen Vorverhandlungen zu ratifizieren?

Filmszene verärgert

Verärgert ist auch die freie Bremer Filmszene um das „Filmbüro e.V.“ und die Filmklasse der Hochschule herum. Zwar hat sie sich nicht recht getraut, eigene Ansprüche anzumelden. Aber ausgerechnet zwei FilmemacherInnen, die sie schon einmal „von oben“ als Hochschullehrer aufgedrückt bekommen sollten und gegen die sie sich mit Erfolg gewehrt haben - Mitscherlich und Helke Sander - sollen nun den großen Kuchen bekommen. Und ausgerechnet im selben Haus mit der Hochschule für Künste und der Filmklasse sollen die beiden sitzen: in der Dechanatstraße, dem früheren Schulgebäude des „Alten Gymnasium“. Das Filminstitut wird dort teure Produktionsanlagen bekommen, 600.000 Mark aus dem Wirtschaftsförder-Programm stehen bereit. Für eine Übergangszeit

hat das Filminstitut ohne feste Grenzen Gelder aus dem Etat des Ressorts Wissenschaft und Kunst zur Verfügung. In einem internen Etat-Entwurf des Filminstituts steht aufsummiert: „Personalkosten 500.000 Mark, Sachkosten 250.000 Mark, Projektentwicklungskosten 200.000 Mark, Filmproduktion 1.000.000 Mark, Live-Sendungen 500.000 Mark, Präsentationen von europäischen Filmen 1.000.000 Mark - Summe 3.450.000 Mark“.

Wer soll da nicht neidisch werden! Seit Jahren beantragt die Bremer Filmszene bescheidene Filmförderunges-Gelder vergeblich. Früher einmal wollte das Filmbüro, die private Organisationsform auch vieler HdK-StudentInnen, seine Film und Video-Werkstatt in dem Gebäude Dechanatstraße einrichten. „Das wäre ideal“, sagt Jutta Beyrich vom Filmbüro e.V. Ging aber nicht: In einem Gebäude, das aus Hochschulmitteln saniert werden müßte, könnten keine privaten Einrichtungen unterkommen, erklärte die Behörde. Nun sind dem Filmbüro Arbeitsräume in dem geplanten „Medienzentrum“ in Walle versprochen. Auch Investitionsmittel aus dem WAP, die allerdings seien regional gebunden - nur in Walle fließen sie. Ein finanzpolitischer Sachzwang, und angesichts der Fülle der Sachzwänge hat das Filmbüro inzwischen voller Überzeugung auf die Dechanatstraße als Standort verzichtet.

Da eigentlich über die Zulassung privater Fernsehanbieter nicht das Filminstitut oder das Rathaus entscheidet, sondern der Landesmedienausschuß, könnte das Gebäude der Bremer Filmpläne nur noch an einem scheitern: Wenn ein anderer Sender den Zuschlag für die freie Frequenz bekäme als der, mit dem das Filminstitut einen Vorvertrag hat. In diese Lücke will der nordrheinwestfälische „Kanal 4“ stoßen - ein Veranstalter, der zum Prinzip hat, der örtlichen Filmszene eine Plattform zu bieten und ein ganz unkommerzielles breites Angebot kultureller Filme zu senden - eigentlich ein idealer Anbieter nach dem bremischen Landesmediengesetz.

K.W.