Polen erkämpfen sich Eigentum zurück

■ Über 600 Säcke mit beschlagnahmten Waren stapeln sich zur Zeit im Zollamt / Die AL und die polnischen HändlerInnen wollen den Markt in Selbstverwaltung / Gesellschaft Solidarnosc beklagt die wachsende Aggressivität gegenüber Polen in Berlin

Über 30 Polen hatten sich Sonntag nacht mit Zug und Auto nach West-Berlin aufgemacht - nicht um zu verkaufen, sondern um ihr Eigentum einzufordern. Ab Montag seien die Sachen im Hauptzollamt Süd wiederabzuholen - so lautete die Auskunft der Zollbeamten, die am Wochenende den Inhalt ihrer Taschen und Tüten beschlagnahmten. Als Montag morgen dann tatsächlich mehrere Polen im Zollamt auftauchten, wollte sich in der Behörde niemand so recht an diese Zusage erinnern. Als hilfreich erwies sich die Präsenz einiger AL -PolitikerInnen, darunter die Fraktionsvorsitzende Heidi Bischoff-Pflanz und Fraktionsassistent Jürgen Strohmaier. „Die Beamten haben einfach nicht damit gerechnet, daß tatsächlich Polen kommen und auf ihren Rechten bestehen.“ Stundenlang wurde zunächst erfolglos verhandelt. Mit der amtlichen Aufforderung, doch in zwei Tagen wiederzukommen, wollte man sich auf Seite der Polen nicht zufrieden geben. Sie kündigten an, so lange auszuharren, bis ihr Eigentum ausgehändigt würde. Nach gut sechs Stunden besann sich das Zollamt auf die Strategie der Deeskalation und begann, gegen Vorlage einer Beschlagnahmebescheinigung die geforderten Sachen aus den 600 Säcken herauszusuchen und zurückzugeben. Wem Zigaretten und Alkohol konfisziert worden war, durfte immerhin eine Stange und eine Flasche sowie Waren im Wert von 100 Mark nach Hause nehmen - unter der Bedingung sofort damit auszureisen. Strohmaier wertete die Hartnäckigkeit der Polen als „vollen Erfolg“ zumal in der letzten Zeit nicht nur Waren, sondern auch häöufig persönliches Eigentum konfisziert wüprde. „Momentan wird in der S-Bahn z.B jeder kontrolliert, der irgenwie polnisch aussieht, und dann wird auch schon mal ein Pulli beschlagnahmt mit der Begründung, bei der Hitze braucht man den eh nicht.“

Donnerstag letzter Woche war der Polenmarkt aus zollrechtlichen Gründen verboten worden. Der Ausländerbereich der AL will sich verstärkt für eine Legalisierung einsetzen. In Zusammenarbeit mit einem polnischen Sozialverein wird über einen Markt in polnischer Selöbstverwaltung vorgeschlagen. Bereits im Mai, so Strohmaier, sei Wirtschaftssenator Mitzscherliung von ponischer Seite vorgeschlagen worden, die Organisierung des Marktes zu übernehmen. Der Senator habe bis heute nicht darauf reagiert. „Man sollte die Polen einfach mal anhören, dann gäbe es da auch Lösungsmöglichkeiten. Stattdessen ist die ganze Debatte von dieser typisch deutschen Eigenschaft geprägt, alles besser zu wissen.“

Bei der typisch deutschen Besserwisserei bleibt es allerdings nicht. Die Gesellschaft Solidarnosz hat gestern zunehmende Aggressivität von Berlinern gegen Polen beklagt. In Schöneberg war in der Nacht zum Montag ein Auto mit polnischem Kennzeichen beschädigt worden. Betroffen war in diesem Fall ein prominenter polnischer Gewerkschaftsführer gerade zu Besuch in der Weltstadt.

anb/dpa