Bürger dürfen wählen: Bäume oder Vögel

■ An der geplanten Stromtrasse droht den Vögeln ein Massensterben / Ausstellung zur Umweltverträglichkeitsprüfung eröffnet

„Entweder tote Bäume oder tote Vögel“, so formuliert der Landschaftsplaner Klaus Neumann die bestechenden Alternativen, die die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die geplante Stromtrasse durch Spandau aufgezeigt hat. Entweder die Bewag baut eine Freileitung entlang und über die Havel - dann verfangen sich pro Kilometer und jährlich 300 bis 2.400 Vögel in der Leitung und sterben jämmerlich. Oder ein unterirdisches Kabel wird verlegt - dann senkt sich der Grundwasserspiegel unter Teilen des Spandauer Forsts und im sogenannten Teufelsbruch in Tiefen, die von den Wurzeln vieler Bäume nicht mehr erreicht werden.

Die Ergebnisse der noch vom alten Senat angeregten UVP können seit gestern in einer Ausstellung im Aktionszentrum Umweltschutz am Theodor-Heuß-Platz besichtigt werden. Die Bürger sollen sich informieren und mitberaten, wenn sie retten wollen: Bäume oder Vögel - oder auch beide. Denn der neue Senat, das betonten gestern die Staatssekretäre Rommerskirchen (Wirtschaft) und Groth (Umwelt), will den Stromlieferungsvertrag zwischen Bewag und Preußen Elektra noch einmal überprüfen. Die Stromtrasse durch Spandau soll, wie berichtet, die Elektroströme in die Stadt transportieren. Rommerskirchen bekräftigte gestern zwar, die SPD-geführte Wirtschaftsverwaltung sei „grundsätzlich“ für Berlins Anschluß an den westeuropäischen Stromverbund, ließ aber auch kritische Töne hören. Die einseitigen Lieferungen der Preußen Elektra seien überhaupt „kein echter Verbund“. Ein Überangebot an Strom könne überdies das Energiesparen behindern.

Wie berichtet, haben Umweltsenatorin Schreyer (AL-nah) und Wirtschaftssenator Mitzscherling ein unabhängiges Institut als „Schiedsrichter“ (Rommerskirchen) eingesetzt, um einen Streit zu klären. Das Institut soll entscheiden, ob der Vertrag womöglich bereits rechtswirksam ist, wie Mitzscherling meint, oder ob er immer noch überprüft werden kann, wie Schreyer hofft. Die streitenden Verwaltungen seien beide „bereit, das Ergebnis politisch zu akzeptieren“, versicherte Rommerskirchen gestern. Mitte Juli soll das Gutachten vorliegen. Dann will der Senat aber auch, so Rommerskirchen, rasch entscheiden.

Sollte der Vertrag wirksam werden, empfiehlt die Firma Hacker, verantwortlich für die Zusammenfassung der UVP -Ergebnisse, für die Stromtrasse eine kombinierte Lösung aus Freileitung und Kabel. Während die 380-Kilovolt-Leitung über den größten Teil der Strecke als Freileitung geführt werden sollte, fordert Hacker, die Havel per Kabel zu unterqueren. Gründe: Eine Freileitung würde hier nicht nur das Landschaftsbild stark beeinträchtigen, sondern auch die Vögelschwärme dezimieren, die die Havel als Wegweiser beim Zug zwischen Norden und Süden benutzen. Eine reine Kabellösung hingegen würde, so Hacker-Mitarbeiter Jungkamp, mit den Bäumen auch viele Vögel umbringen. Die Bewag könnte mit diesem Ergebnis zufrieden sein. Sie plädiert seit jeher für die Freileitung, nicht zuletzt, weil sie mit 80 Millionen Mark wesentlich billiger wäre als ein etwa 350 Millionen Mark teures Kabel.

Allerdings hatte der alte Senat eine Variante gar nicht erst prüfen lassen, die noch teurer gewesen wäre, aber sowohl Bäume als auch Vögel gerettet hätte: ein unterirdisches Kabel, das in einem speziellen technischen Verfahren in den Boden getrieben wird und Grundwasserabsenkungen ausschließt. Defizite der UVP wie diese prüft zur Zeit auch Umweltsenatorin Schreyer. Allerdings stellt eine Kabellösung in den Augen der Bewag den ganzen Stromvertrag in Frage. Die hohen Kosten des Kabels könnten dafür sorgen, daß sich die Billig-Lieferungen aus Westdeutschland nicht mehr rechnen. Weil es zudem relativ kompliziert ist, ein unter der Erde liegendes Kabel zu reparieren, müßte die Bewag trotz Stromverbund fast ebenso viele Kraftwerke als „mitlaufende Reserve“ unter Dampf halten, wie ohne Stromverbund.

Die Ausstellung ist bis zum 22. Juli zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 bis 13 und 14 bis 19 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr. Am 5. Juli lädt der Senat zu einer Bürgeranhörung.

hmt