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AL finster entschlossen

■ Die Alternative Liste zog eine sowohl-als-auch Bilanz der ersten 100 Tage Regierungsbeteiligung / Mit ihren Senatorinnnen sind die Igel zufrieden

Die Alternative Liste ist „aufs Finsterste entschlossen“ die Koalition mit der SPD über vier Jahre durchzuhalten, dieses Fazit zog gestern die Fraktionsvorsitzende Heidi Bischoff -Pflanz anläßlich der 100 Tage rot-grün Bilanz von Partei und Fraktion. Sie konstatierte zwar Unterschiede im Politikstil beider Parteien, das Wort „Krise“ aber hält sie für unangebracht. Bischoff-Pflanz wörtlich: „Ich kann es nicht mehr hören.“ In einigen Bereichen der Stadtpolitik würden bereits erste Konturen von rot-grün deutlich. Die Vorwürfe aus der SPD, die AL würde unpopuläre Entscheidungen nicht mittragen, ließ sie nicht gelten. Die SPD wisse genau, daß die AL „unter genauso großem Druck steht“. Die Alternativen fordern mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung. Man müsse den Menschen die Entscheidungen der Regierung erklären, und sie nicht nur „überstülpen“, sagte Bischoff -Pflanz.

Als ein gelungenes Beispiel rot-grüner Zusammenarbeit nannte für die Fraktion Renate Künast die Initiative Berlins im RAF-Hungerstreik. Da habe die AL die „Knochenarbeit hinter den Kulissen“ geleistet. Sie sei es gewesen, die die SPD von dem „Erpressungsgedanken“ weggebracht habe. Hinterher habe sich erwiesen, daß Momper mit seiner bundesweiten Initiative „politisch richtig lag“.

Die Alternative Liste habe in den ersten drei Monaten der Regierungsbeteiligung lernen müssen, daß man nicht nur eigene politische Vorstellungen umsetzen könne, sondern auch in eine Vielzahl von „Sachzwängen“ eingebunden sei, bilanzierte für den Parteivorstand Harald Wolf. Vor allem bei den sogenannten „Altlasten“ werde dies deutlich. Seine Partei habe sich oft genug in der Situation befunden, ihre Zustimmung zu ehemals von ihr bekämpften Projekten zu geben. Dazu trage auch eine „wenig konfliktbereite SPD“ bei. Im Laufe der Zusammenarbeit seien „deutliche Unterschiede“ in den politischen Konturen deutlich geworden. Wolf verteidigte die offenen Kontroversen, die es sowohl zwischen SPD und AL als auch innerhalb der AL gegeben hat. Es entspreche dem Prinzip der Liste, unterschiedliche Standpunkte öffentlich auszutragen, auch wenn das zu „Irritationen“ führe.

Die Zusammenarbeit mit den von der AL gestellten Senatorinnen, Sibylle Volkholz, Schule und Sport, Michaele Schreyer, Umwelt und Anne Klein, Frauen, Jugend und Familie, die allesamt keine Parteimitglieder sind, sei „erstaunlich gut“, sagte die Fraktionsvorsitzende. Man habe mit ihnen „keine Schwierigkeiten“. Sie nahm auch die parteiintern kritisierte Frauensenatorin Anne Klein in Schutz. Viele ihrer Projekte würden jetzt erst in Gang kommen. Renate Künast dagegen sah es durchaus als „Mangel“, daß von der Frauensenatorin bislang „keine großen neuen Akzente“ ausgegangen seien.

Doch die Frauenpolitik wird nicht nur von der Frauensenatorin vernachlässigt. In der Aufzählung der Vorhaben der AL für den Herbst fehlen entsprechende Themen auch. Die AL nennt das Akteneinsichtsrecht und die Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus als Vorhaben. Außerdem weitere Initiativen in der Verkehrspolitik.

Auf den sanften Tadel des Regierenden an den Strukturen der AL in seiner Bilanz reagiere Wolf gelassen. Momper habe sicherlich seine eigenen Parteistrukturen im Kopf, wenn er der AL Ratschläge gebe. In diese Richtung denke die Liste zwar nicht. Doch sei man um „effektivere“ Strukturen bemüht. Die Diskussionen um die Einführung einer Landesdelegiertenkonferenz statt der Mitgliedervollversammlung aber seien erst mal „auf Eis gelegt“.

Die AL wählt am 9.Juli ihre weiteren Vorstandsmitlieder. Bislang konnten nur drei KandidatInnen die erforderliche Stimmenzahl bekommen.

bf

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