Waigel im Kampf gegen die „Radikalen“

■ Grüne und „Republikaner“ werden von der CSU in einen Topf geworfen

Dem Herrn CSU-Waigel konnte ich jetzt eine Woche lang im TV zuschauen, wenn er sich über den Sieg seiner Partei bei der Europawahl äußerte und sie rühmte als den „Faktor der Stabilität“ im Regierungslager. In allen diesen Sendungen kam dann immer der Augenblick, in dem er mit dem Ausdruck eines Hypnotiseurs in die Kamera schaute, der einen Elefanten dazu bringen will, zu bekennen, er sei eigentlich ein Nilpferd. Dann hob er eine unsichtbare Schwurhand und verkündete, die CSU werde bedingungslos gegen Links- wie gegen Rechtsradikale kämpfen, sprich gegen die Grünen und die „Republikaner“.

Das letztere ihm zu glauben fällt jeden Tag schwerer trotz aller gleichlautenden CDU-Versicherungen; die politisch -programmatische Öffnung nach rechts schreitet munter fort, aus CSU und „Republikanern“ werden Geschwister, aber der Glaube, es werde der Tag kommen (1990!), an dem die Schönhuberwähler wieder CSU wählen werden, weil ihnen die Herren Waigel & Co das gleiche Gift bieten, wird sich als folgenschwerer Irrtum erweisen. Waren doch die Strauß-Partei und er selbst die Bäuche, aus denen Schönhuber kroch. Der eigentliche Schwachsinn, ja die Perfidie von Waigels Strategie besteht darin, daß er uns aufschwätzen will, die Grünen und die Rechtsradikalen stellten die gleiche Gefahr für unseren herrlichen Rechtsstaat dar. Wie ist es denn?

Die Grünen sind zu einer im Parlament vertretenen Kraft geworden, weil sie als erste begriffen haben, daß wir alle auf dem Wege der Selbst- und Weltzerstörung sind, ihr Leitbild ist in eine bessere Zukunft hinein entworfen. Deshalb fordern sie einen „anderen“ Staat. Was CDU, CSU, SPD, FDP in Konkurrenz zu den Grünen seit ein paar Jahren leisten, ist Mundspitzen, aber nicht Pfeifen. Sind die Grünen deshalb „linksradikal“? Wer so urteilt, hält Vernunft für ein linkes Monopol.

Den „Republikanern“ sind alle „grünen“ Probleme schnurz und piepe. Nichts von dem, was im Zug der Zeit liegt, gefällt ihnen. Ihr „anderer“ Staat muß keine Kopie der NS-Staats sein. Wären sie „Neonazis“, so hätten sie weit weniger Chancen, als sie sie als Altnationalisten haben. Sie steigen aus dem Sumpf deutscher Nationalgeschichte auf, sind der Weltsicht WilhelmsII. und Hindenburgs viel näher als der Hitlers.

Mit nichts können sich die Waigels und Konsorten so eindeutig als Gesinnungsverwandte der „Republikaner“ zu erkennen geben als damit, daß sie diese und die Grünen in einem Topf zusammenkochen wollen. Wenn sie im Käfig ihres Schwachsinns verbleiben, werden wir in zehn Jahren eine rechtsradikale Großpartei haben. Eine CDU-CSU-FDP-SPD -Kampfgruppe zur Verhinderung von Zukunft, zusammengesetzt aus verschiedenen Angsthasenparteien, betreibt die Geschäfte der Vergangenheitsbeschwörer, egal wie sehr oder wie wenig sie sich gegen diese abschotten wollen.

Erich Kuby

8MEINUNG & DISKUSSIONDIENSTAG, 27/6/89