DKP-Vorstand verschärft Ausgrenzungskurs

Parteivorstand verlangt von Erneuerungsströmung Unterwerfung / „Spaltung relativ sicher“ / Außerordentlicher Parteitag wahrscheinlich / Herbert Mies: SDAJ-Dogmatiker legitime Führung / In der China-Frage geht die DKP auf Distanz zur SED  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Die Mehrheit des DKP-Parteivorstandes hat „ihrer Ausgrenzungskurs gegen die Erneuerer massiv verschärft“. Das berichten Teilnehmer der Vorstandsitzung am Wochenende in Düsseldorf. Alle Kompromißvorschläge, die darauf abzielten, den Ausschluß der „Erneuerer“ Werner Stürmann und Birgit Radow aus dem DKP-Präsidum rückgängig zu machen, wurden rigoros niedergestimmt. „Erneuerer“ und die „Mittelgruppe“ konnten lediglich 16 der etwa 70 anwesenden Vorstandsmitglieder auf ihre Seite ziehen. Dabei hatte die Minderheit deutlich erklärt, keine dauerhaften „eigenen Strukturen“ schaffen zu wollen. Die Mehrheit wollte jedoch Unterwerfung: Gefordert wurde von der Minderheit, jegliche Formen von Strömungstreffen aufzugeben und dazu aufzurufen, an Treffen der „Erneuerungsgruppe“ nicht mehr teilzunehmen. Innerparteilich geht es den Erneuerern darum, die stalinistische Vergangenheit offen aufzuarbeiten, die unkritische Haltung gegenüber den realsozialistischen Ländern aufzugeben und die Freiheitsrechte auf allen Ebenen der Partei so zu verankern, daß Meinungspluralismus künftig garantiert ist.

Angesichts dieser Linie der Betonfraktion gewinnt der für Ende September geplante „Kongreß Erneuerung“ weiter an Bedeutung, denn noch ist unklar, über wieviel Unterstützung die jeweiligen Strömungen tatsächlich in der DKP verfügen. Nach dieser Vorstandssitzung sei zwar „die Spaltung wesentlich wahrscheinlicher geworden“, hieß es von Teilnehmerseite, aber die Angst vor dem geschlossenen Auftritt von einem Drittel der Mitglieder - so sie sich denn um den Konkreß herum finden - berge noch „eine kleine Chance“.

Eine klitzekleine Chance, denn die Vorstandsmehrheit, das zeigte sich erneut im Umgang mit der Jugendorganisation SDAJ, frönt weiter „der stalinistischen Machtpolitik“. In der Stellungnahme der Parteivorstandsdelegation über den SDAJ-Kongreß, die die Unterschrift vom Parteivorsitzenden Herbert Mies trägt, wird der von der Dogmatikerströmung eingesetzte Arbeitsausschuß als die legitime Vertretung der Jungkommunisten bezeichnet. Dem gewählten, noch amtierenden, mehrheitlich zu den Erneuerern zählenden SDAJ-Bundesvorstand wird auf diese Weise unter Verstoß gegen alle Status- und Demokratieregeln die Legimitität rechtswidrig abgesprochen. Ein weiterer Beleg dafür, daß die Mehrheit nichts als die Spaltung will und die in den letzten Wochen zuweilen angestimmten moderateren Töne lediglich auf die Parteibasis zielten, die einen offen formulierten Ausgrenzungskurs nicht geschluckt hätte.

Die endgültige Entscheidung wird wohl auf einem außerordentlichen Parteitag fallen. Ende August will der Parteivorstand darüber entscheiden. Die „Erneuerer“ halten aus Gründen der Absicherung an ihrer Unterschriftenaktion unter den Parteitagsdelegierten fest, um auf jeden Fall den Parteitag auch gegen die Vorstandsmehrheit erzwingen zu können. Wenn ein Drittel der Delegierten unterschreibt, muß nach dem Statut ein Sonderparteitag einberufen werden. Allerdings kann der entsprechend der traditionell kommunistischen Organisationsstruktur allmächtige Parteivorstand durch Festlegung der Tagesordnung schon im Vorfeld die Kritiker aushebeln und z.B. Neuwahlen verhindern. Möglicherweise hat die Mehrheit daran aber gar kein Interesse mehr, weil sie sich der Parteitagsmajorität sicher und zum Großreinemachen entschlossen ist. Daß ausgerechnet die härtesten Dogmatiker in der DKP-Spitze inzwischen ebenfalls für einen Sonderparteitag votieren, spricht für diese These.

Dagegen hat der DKP-Vorstand das Vorgehen der chinesischen Führung gegen ihre Kritiker verurteilt und ist damit erstmals auch auf Distanz zur SED gegangen. DKP-Chef Mies: „Wir verurteilen die Todesurteile und Hinrichtung von Menschen aus Gründen der Menschlichkeit wie aus politischen Gründen“.