CDU-Luftballon gegen „Republikaner„-Wähler

Regierungsplan zum Einsatz von AsylbewerberInnen in der Landwirtschaft ist nichts als plumpe Propaganda: Auch heute dürfen viele Flüchtlinge schon arbeiten  ■  Von Helga Lukoschat

Berlin (taz) - Mit ihren Plänen, abgelehnte, aber geduldete AsylbewerberInnen für drei Monate als SaisonarbeiterInnen in der Landwirtschaft einzusetzen, hat die Bundesregierung einen propagandistischen Luftballon gestartet. Denn die Gruppe von AsylbewerberInnen, die die Bundesregierung für Erntearbeit verwenden will, unterlag auch bisher praktisch keinem Arbeitsverbot. Die Pläne der Minister Schäuble und Blüm beziehen sich auf die rund 200.000 Flüchtlinge, die trotz der Ablehnung ihres Asylantrags aus politischen und humanitären Gründen in der Bundesrepublik geduldet werden. Davon sind vor allem Menschen aus Ländern wie Sri Lanka und dem Iran betroffen. Für diese Gruppe von AsylbewerberInnen besteht schon heute kein Arbeitsverbot von fünf Jahren. Sobald ihr Asylverfahren abgeschlossen ist, können sie sich bei den Arbeitsämtern um eine Arbeitserlaubnis bemühen. Bei laufendem Asylverfahren beträgt das Arbeitsverbot ein Jahr. Das Arbeitsverbot von fünf Jahren gilt nur für die AsylbewerberInnen, die sich in einem laufenden Verfahren befinden und die bei einer eventuellen Ablehnung ihres Antrags abgeschoben werden sollen.

Faktisch ändert dieser Vorschlag also nichts, sondern schöpft lediglich den bestehenden rechtlichen Rahmen propagandistisch aus. Offenbar verfolgen die Vorschläge der Bundesregierung kein anderes Ziel, als auf dem Gebiet der Asylpolitik ideologisches Terrain von den „Republikanern“ zurückzuerobern: In einer Stellungnahme des Innenministeriums hieß es, in der Bevölkerung werde es als ein „erhebliches Ärgernis“ empfunden, Fortsetzung auf Seite 2

daß Asylbewerber nicht arbeiten dürften und vom Staat Sozialhilfe bekämen.

Der Vorschlag beinhaltet also keine Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, worauf Schäuble in seinen Statements auch wohlweislich hinwies: Es sei eine „Fehlinterpretation“, die beabsichtigte Maßnahme als Vorstufe einer generellen Lockerung des Arbeitsverbots für Asylbewerber zu interpretieren. Tatsächlich stellte Schäuble einen anderen Zusammenhang in den Vordergrund: Die in der Vergangenheit mit einem Touristenvisum eingereisten PolInnen fielen seit der am 5.April eingeführten Visabegrenzung als saisonale Arbeitskräfte für die Landwirtschaft aus. Offenbar soll damit der Eindruck erweckt werden, AsylbewerberInnen könnten als Lückenbü

ßerInnen für billige polnische Arbeitskräfte einspringen. Und das „Argument“ der Rechtswähler, die Flüchtlinge würden dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegen, wird scheinbar entkräftet.

Das Kalkül der Regierung aber ging auf: Auf ihre Pseudolösung wurde gestern von allen Seiten heftig reagiert. Während das FPD-Präsidium diese durchsichtige Politik als „Teil einer Reihe von konstruktiven und hilfreichen Vorschlägen“ in der Innen- und Rechtspolitik bezeichnete, lehnten SPD und Grüne den geplanten „Ernteeinsatz“ entschieden ab. Der sozialpolitische Sprecher der SPD -Bundestagsfraktion, Dreßler, erklärte, das „unverbindliche Angebot“ sei „politisch und in der Sache“ völlig untauglich, daß AsylbewerberInnen-Problem zu mildern. Dreßler klagte die völlige Aufhebung des Arbeitsverbots ein.

Für Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle sind die Pläne dagegen eine „sinnvolle Maßnahme“ und „sehr zu begrüßen“. Aus den Bauernverbänden waren jedoch auch skepti

sche Stimme zu hören. Der Referent für arbeitsrechtliche Fragen im bayerischen Bauernverband erklärte gegenüber der taz, damit würde die „Notsituation der Asylbewerber“ ausgenutzt. Der Vorschlag sei auch nicht auf die Praxis abgestimmt, denn Arbeitskräftemangel bei saisonaler Arbeit bestünde nur in bestimmten Bereichen des Garten- und Gemüsebaus: etwa beim Spargelstechen oder beim Erdbeerpflücken. Arbeitskräfte würden hier jedoch nicht für Monate benötigt, sondern lediglich für oft nicht mehr als zwei bis drei Wochen. Zu befürchten sei, daß nur stark spezialisierte Großbetriebe von den billigen Arbeitskräften profitierten. Derzeit arbeiten polnische Hilfskräfte in der Landwirtschaft häufig zu Hungerlöhnen von fünf oder sieben Mark pro Stunde.

Bei den Grünen hieß es, es sei schlichtweg „unmenschlich“, Flüchtlinge zum Nutzen von Großagrariern heranzuziehen, für die sie ohne gewerkschaftliche Rechte Frondienst leisten sollen.