Begegnung der akademischen Art

■ Die Universität Bremen gedachte feierunfähig der tausendsten Dissertation

„Achtung Redaktionen“ hatte die Pressestelle der Universität Bremen ausrufezeichnend gemeldet: „Der Rektor der Universität, Prof. Dr. Jürgen Timm, wird Frau Dr. Flügel am um im persönlich zu ihrer Promotion gratulieren.“ Wieso weshalb bleibt hier zu fragen. Warum wird dem Timm sein Jürgen gelassen, der Flügel aber ihre Gaby geklaut. Und warum persönlich? Sprießen doch die Doktorarbeiten nur so aus den Orchideengärten der Wissenschaft. Kein Grund mehr für die ganz persönliche Patronage des Uni-Rektors.

Frau Dr.rer.nat.Gaby Flügel hatte ein gutes Feeling fürs rechte Timing. Ihre Promotion, erstellt

in der molekularen Entwicklungsbiologie und getauft auf den Namen „Phosphorylierung von Kernproteinen beim Übergang von Wachstum zur Sporulation des Myxomyceten Physarum polycephalum“ erblickte das Licht der akademischen Welt als Jubiläumskind. 999 Vorgänger sind schon archiviert und so wird die „Phosphorylierung“ als primus inter pares zwischen „Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus. Dissertation zur Erlangung des Grades eines Dr. phil.“ und „Die künstliche Unfruchtbarmachung von sexuellen Triebtätern“ (Dr. jur.) ihr künftiges Bibliotheksleben fristen.

Standesgemäß feierunfähig

wurde der Festakt begangen. Während im vorgesehenen MZH-Raum standortheimische Spirituosen und wenige Gäste bereit standen, small-talkte die Uni-Prominenz munter vor der Tür. Mit dem notwendigen Maße an Unpünktlichkeit brachte Rektor Timm die Gratulationscour stehend hinter sich. “ Mein Anspruch“, hörte er sich sagen, „ist kurz und formlos zu sein“. Er freue sich, die tausendste Doktorantin. Ja, auf den Einwurf habe er gewartet. Natürlich ist das die tausendste Promotion, aber sie hätten lange überlegt und schließlich seien die Männer in der Wissenschaft solange über Gebühr vorgezogen worden. Also, er

freue sich ganz besonders, daß die tausendste eine Frau ist. „Jetzt muß ich mal darüber, da steht ein Blumenstrauß für Sie“. Und tippelt auf leisen Sandalen zur Vitrine, der Strauß tropft, die Hände sind naß. „Auf den Kuß verzichte ich jetzt, dafür haben Sie ja die Blumen.“ Noch ein Buch, damit sie neben der Biologie auch anderes zu lesen hat. Dann die Fotos: Händedrücken hier, Lächeln da, die Positionen wechseln und Klappe zwo.Überstanden, die Herren bitten zum Sekt, die Frau Doktor hat noch keinen Ton gesagt und die Presse rätselt, warum sie denn als Zeuge eines so ungastlichen Aktes geladen wurde.

Andreas Hoetzel