Rufmord

Alice Schwarzers Suche nach Mister X  ■ K O M M E N T A R E

Alice Schwarzer ist eine fähige Werbefrau. Immer wieder schafft sie es, ihre 'Emma‘ in die Schlagzeilen zu bringen. Doch mit ihrer jüngsten „Enthüllungsstory“ über Mister X hat sie sich journalistisch und menschlich ins Abseits gebracht. Ihren Verdacht, die Ex-'Emma'-Redakteurin Ingrid Strobl sei einem V-Mann auf den Leim gegangen, werden die Medien begierig aufgreifen. Hat doch der Prozeß gegen die Journalistin mehr als jedes andere 129a-Verfahren gegen mutmaßliche RZ-Mitglieder die Öffentlichkeit beschäftigt. Bis ins liberale Lager hinein wurde die Prozeßführung und das maßlose Urteil kritisiert. Und nun spekuliert 'Emma‘ über einen neuen Verfassungsschutzskandal, garniert mit einer Beziehungsgeschichte.

Unbefangenen, distanzierten LeserInnen könnte das plausibel erscheinen. Schließlich sind die Arbeitsmethoden des Verfassungsschutzes bekannt. Hat die linke Szene mehr als einmal die Erfahrung gemacht, daß selbst der nächste FreundInnenkreis nicht sicher ist vor Infiltration. Das Üble an der Geschichte ist, daß sie so suggestiv geschrieben ist und intime Szenekenntnisse vorgaukelt. Doch was die 'Emma' -Chefin da an „Fakten“ präsentiert, ist falsch oder grob lückenhaft. Miserabelste Recherche. Keinerlei harte Informationen oder Beweise untermauern ihre Behauptungen. Die schlimmsten werden in Fragen formuliert, um sie juristisch unangreifbar zu machen. Als „Indiz“ wird das Bild eines „unsympathischen“, widersprüchlichen Typen gezeichnet. Der Mann als Täter, die Frau als verführtes Opfer. Das paßt nur zu gut in das Weltbild der 'Emma‘. Über mehr Informationen scheint Alice Schwarzer nicht zu verfügen, sonst hätte sie sie hier präsentieren müssen. So bleibt ihre Geschichte pure Spekulation, Schmierenjournalismus, Rufmord. Rufmord nicht nur an Uli D., sondern auch an Ingrid Strobl.

Alice Schwarzer wurde mehrfach auf die Unhaltbarkeit ihrer Verdächtigungen hingewiesen. Warum blieb sie trotzdem dabei? Da kann nur spekuliert werden: Über ihre persönliche Solidarität mit der Angeklagten hinaus hat sie sich stets von den politischen Inhalten des Prozesses distanziert. Der Feminismus sei dort „funktionalisiert“ worden; Ingrid ein Opfer des „Politkitsches“ gewisser Solikreise, sie und die „Frauenfrage“ von einigen Linken vereinnahmt und vor den Karren einer 129a-Kampagne gespannt worden. „Antiimperialismus“ war für Alice Schwarzer noch nie mit Feminismus vereinbar. Darüber streitet sie schon seit Jahren mit der Linken. Darüber hat sie sich auch mit dem Kölner UnterstützerInnenkreis überworfen, dessen Arbeit auch über die Szene hinaus anerkannt ist. Seitdem die 'Emma' -Mitarbeiterinnen gegenüber dem BKA freiwillig Aussagen machten, war keine Zusammenarbeit mehr möglich. Natürlich ist der linke kölsche Klüngel durch die 'Emma'-Geschichte jetzt in Aufruhr.

Eine Abrechnung? Mit der Linken, mit der „Antiimperialistin“ Ingrid Strobl? Frau mag es Alice Schwarzer nicht zutrauen. Auf was aber will sie hinaus mit ihrem kruden Geschreibe? Sind ihr die Folgen egal oder gerade recht? Noch immer laufen in Köln und im Ruhrgebiet 129a-Ermittlungsverfahren, noch immer stehen ZeugInnenvernehmungen ins Haus. Alice Schwarzers Spekulationen schaffen nur Verunsicherung bei dem Versuch, gegenüber den Ermittlungsbehörden die Nerven und die Standhaftigkeit zu bewahren. Lachender Dritte ist der Staatsschutz.

Ulrike Helwerth