Irak dehnt Zwangsumsiedlungen aus

■ Entlang der 1.200 Kilometer langen Grenze zum Iran und der Türkei soll ein menschenleerer Sicherheitsstreifen eingerichtet werden

Bagdad/Berlin (afp/taz) - Die irakische Regierung will entlang der 1.200 Kilometer langen Grenzen zu Iran und Türkei eine 30 Kilometer breite „Sicherheitszone“ einrichten, in der kein Mensch mehr leben darf. Das berichtete die amtliche Nachrichtenagentur 'ina‘ am Montag unter Berufung auf eine schriftliche Mitteilung der irakischen Botschaft in London.

Die Einrichtung der „isolierten Zone“, die bereits in die Praxis umgesetzt werde, erfordere die Zwangsumsiedlung von Zehntausenden von Menschen. Der offiziellen Begründung zufolge sollen mit dieser Maßnahme die Leiden der Bewohner der Grenzregionen beendet werden, die sie im Laufe des achtjährigen Krieges mit dem Iran erdulden mußten. In den Kurdengebieten entlang der Grenze betreibt die Regierung in Badgad allerdings bereits seit Mitte der siebziger Jahre ein Deportations- und Umsiedlungsprogramm, um der Guerilla in den Bergen das Wasser abzugraben.

Diese Politik soll nun auf die gesamte Länge der Grenze ausgedehnt werden. In dem von 'ina‘ veröffentlichten Kommunique wird hervorgehoben, daß diese Maßnahme „nicht nur die autonome Region des irakischen Kurdistan betrifft, sondern auch die irakischen Regierungsbezirke in der Mitte und im Süden“.

Im einzelnen betroffen sind die Bezirke (von Südost nach Nordwest) Basra, Missan, Wasit, Dijala, Suleimanijah, Irbil und Dhok. Lediglich die beiden größeren Städte Chanakin und Sacho, Grenzübergänge zum Iran bzw. der Türkei und an den Straßen nach Bagdad gelegen, sollen ausgenommen werden. Dem Kommunique zufolge sollen die Bewohner der betroffenen Gebiete finanziell entschädigt werden.

In Irakisch-Kurdistan ist dieses Programm bereits Realität. Nach 30 Jahren fast ununterbrochener Kämpfe gegen aufständische Kurden steht die irakische Regierung nun vor der Erfüllung ihrer Wünsche. Über 4.000 Dörfer in den Bergen des Nordirak sind bereits zerstört, die Menschen über die Grenze getrieben oder in neu angelegten Barackensiedlungen in den Ebenen gut kontrollierbar konzentriert.

An der Grenze zum Iran besteht bereits ein rund zehn Kilometer breiter Streifen Niemandsland, wo sogar jedweder Bewuchs niedergebrannt wurde. Damit sollten Waffenlieferungen über die Grenze hinweg unterbunden werden. Noch im letzten Sommer hatte die irakische Armee in der Schlußphase des Golfkriegs eine Großoffensive gegen die für ihre Autonomie kämpfenden Kurden eingeleitet, die sich unter dem Druck der Verhältnisse mit dem Kriegsgegner Iran verbündet hatten. Dabei setzte der Irak wiederholt Giftgas ein. Fast 120.000 Kurden flohen in die Türkei.

Die Politik der Zwangsumsiedlungen, die seit Beginn der achtziger Jahre systematisch durchgeführt wurde, hat den kurdischen Guerillagruppen, den Peschmergas, die die irakische Armee bereits 1969 und 1975 an den Rande einer Niederlage brachten, die Grundlage der Existenz entzogen. In den letzten Siedlungen im Dreiländereck Irak-Iran-Türkei ist seit Juni eine schon länger angekündigte Deportationswelle im Gang. Die Bevölkerung reagierte darauf mit Protestaktionen, bei denen es mehrere Tote gab, als die Armee einschritt. Massoud Barzani, der Chef der „Demokratischen Partei Kurdistans“, erklärte kürzlich gegenüber der taz, er rechne damit, daß nun noch einmal 150.000 Kurden zwangsumgesiedelt werden.

b.s.