SPD gegen Große Koalition

Bonn (taz) - Der Parteirat der SPD hat sich gestern eindeutig gegen eine Große Koalition auf Bundesebene ausgesprochen. Das Gremium ist das oberste Organ zwischen den Parteitagen. Die „übereinstimmende Auffassung“ der 120 Delegierten formulierte der Vorsitzende Norbert Gansel: „Es gibt keinen Anlaß, auch nur mit dem Gedanken an eine Große Koalition zu spielen. Das steht für uns nicht zur Diskussion und kommt auch nicht in Frage.“

Einen Anlaß für die Debatte im Parteirat gab es aber immerhin: Nämlich „die Gerüchte“, die „von interessierter Seite ausgestreut wurden“, meinte Gansel im Hinblick auf Union und Grüne. Die Große Koalition sei „eine Erfindung, die uns angehängt werden soll“. Diskussionen darüber würden der SPD aber bereits im Vorfeld der nächsten Wahlen schaden.

Nachdem sich nach der Europawahl einzelne Sozialdemokraten wie der IG-Chemie-Vorsitzende Rappe für eine Große Koalition ausgesprochen hatten, soll es jetzt im Parteivorstand keinen einzigen Befürworter dieses Bündnisses geben. Über den Vorsitzenden Jochen Vogel wurde berichtet, er halte diese Option auf Bundesebene für „nicht akzeptabel“. Über ein mögliches Bündnis mit der CSU nach der bayerischen Landtagswahl wird hingegen vorerst geschwiegen. Die Frage, ob das Nein des Parteirats auch für Bayern gelte, wollte Norbert Gansel gestern nicht beantworten. Auch halte man einen formellen Beschluß des Parteipräsidiums gegen eine Große Koalition für „nicht nötig“.

Eine „massive Schwächung sozialdemokratischer Chancen“ durch das Spielen mit der Karte CDU befürchtet auch die baden-württembergische SPD-Spitze. Fraktions-Chef Dieter Spöri und Landesvorsitzender Ulrich Maurer argumentieren in einer gemeinsamen Stellungnahme, derartige Denkspiele seien „gefährlich“: „Die Folge wäre nicht nur ein politisches Klima, das für die Republikaner geradezu Treibhauswirkung hätte. Die SPD würde auch enttäuschte Wähler an die Grünen abgeben.“ Es verbiete sich darum „jedes weitere Nachdenken in diese Richtung“.

Charlotte Wiedemann